Ein Tunnel für Karlsruhe
»Opfer« des Erfolgs
Die neue S-Bahn musste in jedem Fall mitten durch die Fußgängerbereiche des Zentrums geführt werden – das war und ist der Kerngedanke des Karlsruher Modells: Mitten ins Herz der Stadt, wo die Eisenbahn eben nicht hinkommt, weil der Karlsruher Hauptbahnhof recht weit vom Zentrum entfernt liegt. Wer, wie der Verfasser, die Entwicklung in und um Karlsruhe seit nunmehr 35 Jahren aufmerksam verfolgt, der musste zeitweise einmal jährlich eine Netzbereisung vornehmen, um überhaupt auf dem Laufenden zu bleiben. Es ist aber nicht nur das vermehrte Fahrplanangebot, also die gestiegene Anzahl der Fahrten, sondern auch das »Wachstum« der Fahrzeuge an sich: vom solo fahrenden Sechsachser zum Achtachser, zur Doppeltraktion. Und gerade die erst so kurze Betriebsgeschichte der S-Bahn zeigt ein ungestümes Wachstum der Zuglängen, -breiten und -höhen: Begann es auch hier zunächst mit Sechsachsern (im reinen Gleichstrombetrieb), so bestimmt seit Beginn des Zweisystem-Alltags der Achtachser das Angebot – und dies nicht selten in Doppeltraktion, was mit fast genau 75m über Mittelpufferkupplung der nach BO-Strab maximal zugelassenen Zuglänge entspricht und damit endgültig »Ende der Fahnenstange« im Straßenbahnnetz bedeutet. Aber auch eine Straßenbahn-Doppeltraktion in aktueller Niederflurbauart misst über 60 m.48 Züge je Stunde und Richtung
Karlsruhe betreibt nicht nur sein Regelliniennetz, sondern in den Spitzenzeiten auch zusätzliche E-Linien z. B. zur Schülerbeförderung. So kommt es, dass heute im Stadtzentrum (Fußgängerzone) eine Regelbelastung von bis zu 48 Zügen je Stunde und Richtung im Werktagsverkehr gefahren wird. Ein in den vergangenen Jahren durchgeführtes Beschleunigungsprogramm und auch einzelne Infrastrukturmaßnahmen (Untertunnelung des neuen Ostrings im Zuge der Durlacher Allee) haben geholfen, dieses Angebot überhaupt im Alltagsbetrieb fahren zu können. Es war seit langem absehbar, dass dieser Expansionsprozess irgendwann gerade im Zentrum an die Grenzen des Machbaren stoßen würde – ein grandioser Erfolg, der aber nun seinen Tribut fordert. Jede Entwicklung führt irgendwann einmal auch zu dem Punkt, an dem Nachteile Schatten auf den Glanz des Erfolges zu werfen beginnen. Karlsruhes Fußgängerzone ist auch für ausgesprochene Straßenbahnfreunde, zu denen sich der Verfasser durchaus zählt, nicht mehr wirklich als solche erlebbar, und gerade die Massivität der Zweisystemwagen wirkt so raumgreifend, dass der Schienenverkehr dort qua Anzahl und Dimension der Züge von manch einem zunehmend als hinderlich angesehen wird. Des Guten zuviel, so könnte man das Gefühl vielleicht am ehesten umschreiben. Dabei darf man nicht vergessen: die Fußgängerzone ist vor allem im zentralen Bereich zwischen Marktplatz und Europaplatz stark von Fußgängern frequentiert, östlich des Marktplatzes aber deutlich schwächer. Die Zugbelastungen sind aber gerade dort stark gestiegen, fallen also nicht mit den höchsten Fußgängerströmen westlich des Marktplatzes zusammen.Tunnel unter der Fußgängerzone
In dieser Situation hat das Baden-Württembergische Kabinett am 4. Juli 2007 beschlossen, die Untertunnelung der Karlsruher Fußgängerzone für den Schienenverkehr anteilig mitzufinanzieren und so die Realisierung des Vorhabens ermöglicht. Die anteilige Bundesfinanzierung gilt zum Berichtszeitpunkt als gesichert.Seiten
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