Ein Tunnel für Karlsruhe

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Sie hätte zudem den in Karlsruhe historisch gewachsenen unterschiedlichen Bodenhöhen bei Straßenbahn und S-Bahn durch angepasste Bahnsteighöhen entgegenkommen und so an den wichtigsten Haltestellen im Netz für Barrierefreiheit sorgen können, wenn man sich dazu entschlossen hätte, S-Bahn und Straßenbahn betrieblich zu trennen: 55 cm Bahnsteighöhe im Tunnel, 34 cm oberirdisch.

Licht und Schatten

So hätte sie aus Sicht des Verfassers viele Vorzüge vereint, die die Kombilösung nicht bieten kann; da sie auch die gewünschte Entlastung der Fußgängerzone von allzu vielen Fahrten mit allzu monströsen Fahrzeugen gebracht hätte, wäre sie bei allseitiger Kompromissfähigkeit wohl eine insgesamt gute Lösung gewesen. Aber sie stand eben 1996 schon einmal zur Abstimmung und wurde abgelehnt – das könnte der Grund gewesen sein, von einer Neuauflage abzusehen. Die Kombilösung wird nicht nur nach den heute genannten Einmalinvestitionen viel teurer zu stehen kommen als die alten Vorschläge; sie wird auch hohe Folgekosten nach sich ziehen. Hinter vorgehaltener Hand kann man Kostenschätzungen hören, die doppelt so hoch liegen wie heute kommuniziert. Im Tunnel muss zukünftig signalisiert gefahren werden, sodass der gesamte Fahrzeugpark mit Zusatzkomponenten für die Sicherungstechnik ausgerüstet sein muss. Dieser Stand ist aber heute schon im Wesentlichen erreicht – auch im Straßenbahnpark, die noch vorhandenen klassischen Straßenbahnzüge werden in wenigen Jahren Geschichte sein. Um die maximale Kapazität unter der Prämisse »Zugsicherung« ausschöpfen zu können, ist eine äußerst enge Blockteilung vorgesehen. Das begrenzt natürlich die mögliche Höchstgeschwindigkeit.

Nur teilweise barrierefrei

Die Tunnelhaltestellen müssen für beide Bodenniveaus ausgelegt werden: Die Bahnsteige sollen bei 100 m Gesamtlänge einen 15 m langen Abschnitt auf 55 cm Höhe erhalten, der teilweise barrierefreien Zugang zu den S-Bahnen bietet, dann in einer Rampe absinken auf 34 cm Höhe, und damit über die restliche Länge barrierefreien Zugang zu den Straßenbahnen gewährleisten. Gegenüber heute ist das zwar eine Verbesserung, die Doppelstocklösung hätte hier aber viel klarere Verhältnisse schaffen können, vor allem 55er-Bahnsteige auf ganzer Länge für die S-Bahn. Das wäre bei der Kombilösung nur zu schaffen, wenn man statt 100 m langer lieber drei kürzere Bahnsteige vorsehen würde: einer als »hoher« Mittelbahnsteig für die Zweisystemfahrzeuge mit Türen auf beiden Seiten und zwei »niedrige« Außenbahnsteige für die Straßenbahnen. Das wäre eine zwar noch aufwendigere, dafür aber zukunftssichere Lösung – man darf wohl davon ausgehen, dass in nicht allzu ferner Zukunft die reinen Gleichstromlinien S1, S2 und S11 mit Niederflurwagen befahren und sich damit eher den Straßenbahnlinien annähern werden; bei der S2 ist dies ja heute schon teilweise Realität. Insofern zieht das Argument »S-Bahn und Straßenbahn trennen« nicht mehr so wie früher einmal gedacht; es wird wohl ein dauerhafter Mischbetrieb mit zwei Bahnsteighöhen werden, und das würde klar für die vom VCD vertretene »Drei-Bahnsteig-Lösung« mit gleichbleibender Höhe auf ganzer Länge sprechen.

Weniger Behinderung – aber auch weniger Flexibilität

Betrieblich wird es Verbesserungen, aber auch Verschlechterungen geben. Einerseits bedeutet die zukünftig mögliche Unterfahrung stark belasteter, kreuzender Verkehrsströme auf hoch belasteten Straßen (Mühlburger Tor, Durlacher Tor) im Zuge der Tunnelstrecke einen Gewinn – ebenso die Beseitigung oder Entlastung von Konfliktpunkten an den heutigen Verzweigungspunkten Europaplatz, Kronenplatz und Durlacher Tor. Andererseits gibt es keine Doppelhaltestellen mehr, wo gesichert gefahren wird. Und in eine gesicherte Strecke lässt sich, anders als beim Fahren auf Sicht, eben nicht schnell noch der eine oder andere zusätzliche Zug »hineindrücken«. Voll ist voll – und solche Betriebszustände, wie sie heute rein oberirdisch, zwar nicht zur Freude von Fußgängern und anderen, aber eben doch praktisch bewältigt werden, sind im Tunnel zukünftig nicht mehr denkbar. Ob es also betrieblich real verwertbare Kapazitätsgewinne mit den neuen Anlagen geben wird, steht in den Sternen. Dass auch S-Bahnlinien zukünftig via Kriegsstraße um das Zentrum herumgeleitet werden, dürfte auszuschließen sein – mit dem Etikett »nebendran vorbei« werden wohl Straßenbahnen und deren Fahrgäste leben müssen; es wird funktionieren, sicherlich, aber einer Führung über die Kriegsstraße wird im Hintergrund immer das Etikett »zweite Wahl« anhaften. Wirtschaftlichkeit fraglich Das Zielnetz zeigt die Bemühung, auch weiterhin keine Linienführungen von der klassischen Trasse auszuschließen.

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Fotos: 
T. Naumann, M. Kochems
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