Leipzig: Linie 9 nach Markkleeberg West vor dem Aus

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Das klingt im ersten Augenblick attraktiv und vielversprechend. Unabhängige Nahverkehrsexperten warnen aber: Es gibt eine größere Hemmschwelle, in einen Bus als in eine Straßenbahn zu steigen, von der geringeren Beförderungskapazität eines Busses ganz zu schweigen.

Nicht nur die Grünen fordern entsprechend, lieber die Straßenbahn von Leipzig an den Cospudener See zu verlängern – einzig und allein das wäre ein nachhaltiger Plan.

Andere Fachleute prophezeien, dass in Bussen das Verkehrsaufkommen selbst nur bis Markkleeberg West in Stoßzeiten kaum zu bewältigen sei. Denn die Mitglieder der Arbeitsgruppe hätten sich bisher darauf verständigt, den Südast vollständig durch die Buslinie 70 zu ersetzen (derzeitiger Laufweg Mockau – Connewitzer Kreuz). „Das bedeutet, dass die Busse die gleiche Route und die gleichen Taktzeiten wie die Straßenbahn fahren und unter der Woche ein Zehn-Minuten-Takt zwischen Markkleeberg und Connewitz gesichert ist“, erklärte Markkleebergs Oberbürgermeister Karsten Schütze.

Dazu habe er auf höchster Ebene Gespräche mit den LVB geführt. „Es war schließlich immer unser Ziel, dass wir einen adäquaten Ersatz für die Linie 9 bekommen und das wäre mit der 70 der Fall“, so der SPD-Politiker.

Allerdings liege die Entscheidung am Ende beim Landkreis als Aufgabenträger des öffentlichen Personenverkehrs, betonte im März auch die Leipziger Volkszeitung.

Wie die LVB, so gab aber auch der Landkreis Leipzig bis Ende April keine konkrete Stellungnahme zur Zukunft der Linie 9 ab. „Es werden noch immer alle Möglichkeiten untersucht, es ist noch gar nichts entschieden“, beteuert Brigitte Laux, die Presseverantwortliche des Landkreises Leipzig.

Ein Drittel Fahrgastverlust ein Alibi?

Begründet wird die Einstellung des Südastes der Linie 9 in den Veröffentlichungen der vergangenen Wochen mit einem „massiven Fahrgastverlust“ seit Inbetriebnahme des Citytunnels. Genaue Zahlen sind jedoch bis heute nicht in Erfahrung zu bringen.

OBM Karsten Schütze spricht gegenüber der Tagespresse von einem Rückgang um bis zu ein Drittel. Nimmt man die angeblich 5.000 vor Eröffnung der durch den Tunnel geführten S-Bahn-Linie täglich nachgewiesenen Fahrgäste auf dem Südast als Rechengrundlage, dann würden heute noch immer mehr als 3.000 „Beförderungsfälle“ die Linie 9 in und nach Markkleeberg nutzen.

Denkt man über weitere Zitate von Karsten Schütze in der Presse nach, so wird klar, dass es anscheinend gar nicht um Beförderungszahlen geht, sondern einzig um Geld bzw. Finanzierungsfragen.

Denn die LVB müssten zur langfristigen Aufrechterhaltung des Betriebes in den kommenden Jahren allein in Markkleeberg 8,2 Millionen Euro in die Gleise und Oberleitungen investieren. „Unter diesen Bedingungen ist die Straßenbahn kein wirtschaftliches Verkehrsmittel mehr. Das ist Konsens bei allen Beteiligten“, so der Rathauschef von Markkleeberg.

Derzeit typische „Hinhalte-Taktik“?

Auch wenn die Pressestellen aller Entscheidungsträger darin nicht müde werden, vom noch völlig offenen Ausgang des „Entscheidungsfindungsprozesses“ zu sprechen, so lautet das Urteil aller Kenner des Leipziger Nahverkehrs: Die Würfel sind längst gefallen, der Südast wird im Dezember eingestellt!

Für sie sind die Dementis und Aussagen wie „Wir untersuchen doch noch“ in den vergangenen Jahren Bestandteile einer gezielten Hinhalte-Taktik.

Und so spekulieren pessimistische Tramfreunde in den Nahverkehrsforen auch längst darüber, wie viele Stunden nach der letzten Fahrt am 13. Dezember die Oberleitung und Gleise der Linie 9 südlich von Leipzig entfernt werden, während die Pragmatiker aufrufen: „Auf, an die Kameras – lasst uns den Südast einen letzten Sommer und Herbst dokumentieren!“

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