Schubkräfte an der Weser

Vor 15 Jahren fielen Entscheidungen, die den ÖPNV in Bremen gleich mehrfach voranbrachten. Stand zuvor der motorisierte Individualverkehr ganz oben auf der Prioritätenliste, so wurde 1998 die Rolle der Straßenbahn gestärkt.
 
Es gibt Jahre, in denen nichts passiert, was eine Stadt, eine Region oder ein Land wirklich voranbringt. Schmerzhaft ist dies allemal, vor allem jedoch, wenn es um Stillstand in einem Bereich geht, der – und das wurde an vielen Orten sehr spät erkannt – der Daseinsvorsorge dient. Bremen und der schienengebundene Nahverkehr kamen über eine lange Zeit nicht ­voran.

Zwar gab es Anläufe, die Rolle der Straßenbahn zu stärken, doch lange stand in der Hansestadt der motorisierte Individualverkehr ganz oben auf der Prioritätenliste. Es dauerte, bis ein Umdenken einsetzte und es dauerte noch mal, bis dieses Umdenken Taten hervorbrachte …

Langer Stillstand
Vor 15 Jahren ging Bremen in ein außergewöhnliches Jahr für den ÖPNV. Es konnte der Eindruck gewonnen werden, an der Weser sollte nun aufgeholt werden, was über Jahrzehnte versäumt worden war.

Das Netz der Tram war 1976 letztmalig gewachsen, als die Verlängerung von Grolland an den Rand des Stadtteils Huchting in Betrieb ging. Neuentstandene Siedlungsbereiche und die 1971 eröffnete Universität sollten zu diesem Zeitpunkt noch lange auf „ihre“ Trambahnlinie warten müssen! Ein politisches Votum für den Ausbau des Netzes fehlte. Der Paradigmenwechsel wurde erst Mitte der 1980er-Jahre eingeläutet: Die Diskussion um die neue Rolle des ÖPNV begann – nicht zuletzt aufgrund steigender Belastungen durch den motorisierten Individualverkehr (mIV) – mit der „Umweltkarte“ und führte 1986 zur Einführung der Bremer Karte – dem noch heute erfolgreichsten Ticket an der Weser überhaupt.

Als 1989 die Notwendigkeit von Erweiterungen des Tramnetzes sowie von flankierenden Maßnahmen zur Vorrang-Gewährung des ÖPNV immer deutlicher wurde – Verbände, Gewerkschaften und schließlich auch politische Parteien hatten einen zielgerichteten Diskussionsprozess in Gang gebracht – verabschiedete der Senat das „ÖPNV-Konzept 89“ und ernannte für das weitere Verfahren einen Sonder-Beauftragten.

Der Grundstein für längst überfällige Maßnahmen war gelegt. Doch bis die erste neue Tramstrecke in Betrieb gehen konnte, sollte es noch einmal fast ein Jahrzehnt dauern: Der erste Bauabschnitt der Linie 4 nahm am 23. Mai 1998 den Betrieb auf. Nach 22 Jahren wurde damit zum ersten Mal wieder eine neue Straßenbahnstrecke in Bremen in Dienst gestellt! Erst mit der Fertigstellung des dritten Bauabschnitts bis ins niedersächsische Lilienthal/Falkenberg im Sommer 2013 wird sie komplett sein.

Geballtes Voranschreiten und ein Abschied
Der 23. Mai 1998 war nicht nur für die Linie 4 erst der Anfang. Doch der Reihe nach. Mit Eröffnung des ersten Abschnitts der Linie 4 konnte bereits auf diesem Ast eine längere Strecke in Betrieb gehen, als dies bei der ursprünglichen Linie 4 der Fall war.

Endete Bremens älteste und 1972 endgültig eingestellte Trambahnlinie an der Horner Kirche, war ihre Nachfolgerin gleich bis zum Horner Kreisel vor der Autobahn weitergebaut worden. Als moderne Stadtbahnstrecke mit eigener Trasse und entsprechender Phasenansteuerung bei den Lichtsignalanlagen brachte sie eine neue Qualität des ÖPNV ins Spiel.

Darüber hinaus gestattete sie endlich die Rücknahme der Buslinien, die als Ersatz für die alte Linie 4 bis in Bremens Innenstadt fuhren und in den Hauptverkehrszeiten kaum noch verlässliche Fahrzeiten zu gewährleisten vermochten. Am 23. Mai 1998 hatte Bremen Grund zum Feiern und man blickte zufrieden auf einen aufmunternden Anfang!

Neue Strecke zum Flughafen
An gleichen Tage rollten Trambahnen über eine neue Strecke in Bremens Süden: Die idyllische alte Flughafenstrecke musste neuen Wegen weichen. Im Rahmen einer großen Linien-Umstrukturierung fuhr nun die Linie 6 zum Flughafen und zum noch im Entstehen begriffenen Technologie- und Gewerbegebiet.

Sie sollte 1998 – genau wie die Linie 4 – noch ein zweites Mal von sich reden machen: Am 10. Oktober des Jahres 1998 endete nach 27 Jahren endlich das „Universitäts-Provisorium“: Die Tram erreichte den Campus und das auch hier noch im Aufbau befindliche Technologie- und Gewerbegebiet.

Die unzulängliche Anbindung des Universitätsareals über eine Buslinie, die an der Kulenkampffallee Anschluss an die Trambahn bot, hatte ein Ende. Zwei Monate später war kurz vor Jahresende Bremens Süden wieder am Zuge: Von Arsten aus ging am 7. Dezember die kurze, jedoch wichtige Verlängerung der Linie 4 bis Arsten Süd in Betrieb. Sie erschließt ein wachsendes Siedlungsgebiet.

Umgestaltung am Hauptbahnhof

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