Ein Platz voll Leben und Geschichte

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Damit ließ sich nicht zuletzt der durch die Umsteigezwänge an den U-Bahnhöfen Rosa-Luxemburg-Platz und (seit 1990 wieder zugänglich) Weinmeisterstraße zusätzlich gebrochene Fahrgaststrom von der S- und künftig auch wieder Regionalbahn spürbar besser leiten. Auch der Platz selbst wurde damit aus dem Berliner Nordostraum wieder umsteigefrei erreichbar.

Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss den Bau der neuen Straßenbahnanbindung des Platzes am 24. Februar 1994; der Bau begann im Sommer 1997. Die Strecke schließt an der Kreuzung Mollstraße/Otto-Braun-Straße an das vorhandene Netz an. Nach einem kurzem Abschnitt in der Otto-Braun-Straße schwenkt die Trasse über die Wadzeckstraße zur früheren Neuen Königstraße und erreicht von hier den Alexanderplatz, der in Nord-Süd-Richtung überquert wird. Nach Unterfahren der Stadtbahn verläuft die Strecke durch die Gontardstraße parallel zum S- und Regional-Bahnhof Alexanderplatz; von hier weiter über Karl-Liebknecht-Straße und Spandauer Straße zum Hackeschen Markt. Hier befindet sich den 1960er-Jahren der wichtigste Innenstadtknoten mit viergleisiger Wendeschleife.

Heute vier Metrotram-Linien
Am 18. Dezember 1998 konnte die neue Strecke feierlich eingeweiht werden. Fortan verlief hier der größte Teil der nach Mitte fahrenden Linien (bei Eröffnung die Linien 5, 6, 15 und N92; später zusätzlich 2, 3, 4 und N54; nach Einführung eines neuen Linienkonzeptes im Jahre 2004 die Linien M4, M5 und M6). Allerdings fungiert der Alexanderplatz heute nicht als Knoten der Straßenbahnlinien untereinander, sondern als Bindeglied zwischen Straßen-, U-, S- und Regionalbahn.

Ergänzt wird der Knoten seit 30. Mai 2007 durch eine Strecke von der Prenzlauer Allee zur Dircksenstraße, wo seitdem die Linie M2 parallel zum S-Bahnhof in einer Stumpfendstelle wendet. Damit liegen jetzt zu beiden Seiten des Bahnhofs Gleise, kurze Wege zum Bahnhof sind das erfreuliche Ergebnis. Die Strecke in der Dircksenstraße soll später über die Rathaus- und Grunerstraße in Richtung Potsdamer Platz weitergeführt werden. Wann dies sein wird, vermag momentan aber niemand sagen. Zunächst schwer nachvollziehbar war eine Anordnung der Straßenverkehrsbehörde, wonach die Bahnen den gesam­ten Platz als Fußgängerzone nur mit 10 km/h befahren dürfen. Mittlerweile ist die Fußgängerdichte auf dem Platz aber so hoch, dass diese Einschränkung als sinnvoll gelten darf. Insbesondere bei Weihnachts- oder anderen Märkten ist die Aufmerksamkeit des Fahrpersonals hier aufs Äußerste gefordert.

Tram bringt mehr Leben
Die direkte Verknüpfung der aus Nordosten in die Innenstadt führenden Straßenbahnlinien mit dem Schnellbahnknoten hat zur gegenseitigen Belebung dieser Verkehrsmittel geführt. Insbesondere die zeitweise politisch »auf Eis« gelegte Anbindung der M2 hat zu einem Fahrgastzuwachs auf dieser Linie geführt, der alle Erwartungen übertraf und binnen kürzester Zeit eine Taktverdichtung von zehn auf fünf Minuten erforderte.

Ist der »Alex« architektonisch überwiegend eine Ansammlung von gehobenem 1960er-Jahre-Mittelmaß – ergänzt durch neuzeitliches Investoren-Mittelmaß – beides eine große Freifläche umzingelnd, so sind gerade die Ostberliner gefühlsmäßig sehr mit ihm verbunden.

Der Platz heute ist auch an der Oberfläche wieder eine Verkehrsdrehscheibe, vor allem aber ein durchaus beliebter Treffpunkt und Verweilort, der trotz (oder wegen?) seiner Weitläufigkeit Berliner und Touristen anzieht. Die seit 1998 hier wieder fahrende Straßenbahn darf man ohne weiteres als einen der Bausteine ansehen, die zur Wiederbelebung und Aufwertung des »Alex« beitrugen.

Text: Ivo Köhler

Weitere Informationen und Bilder finden Sie im 
STRASSENBAHN MAGAZIN 03/12!
 

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