125 Jahre Straßenbahnen in Heidelberg: Nicht totzukriegen

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Die Bahn der Brüder Leferenz
1887 unter Beteiligung eines Berliner Bankhauses in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, blieb sie ein rein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen, das bis 1962 vollkommen ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand ausgekommen war.
Der erste »Straßenbahnwagen« setzte sich am 13. Mai 1885 vom alten Hauptbahn­hof in der Nähe des Bismarckplatzes zum Marktplatz in Bewegung. Bis zum Juli 1886 war das Netz auf 3,7 Kilometer Länge gewachsen. Die Traktion erfolgte bis zur Elektrifizierung und Ausdehnung des Netzes ab 1902 mit bis zu 45 Pferden und bis zu 40 Kutschern.
Neben dem Ausbau des Stadtliniennetzes durch die Heidelberger Straßenbahn (HSB) kamen vor dem Ersten Weltkrieg und in den 1920er-Jahren weitere Außenlinien dazu, die die Stadt Heidelberg in ­Eigenregie baute und an die HSB verpachtete. Dazu gehörte auch die seit 1901 von der Deutschen Eisenbahngesellschaft mit Sitz in Frankfurt betriebene »Elektrische Straßenbahn Heidelberg-Wiesloch« mit 13 Kilometer Streckenlänge, die 1905 von der Stadt übernommen und ebenfalls an die HSB verpachtet wurde. Ab 1923 übertrug die Stadt alle Pachtstrecken in das Eigentum der HSB. Insgesamt dehnte sich das Netz bis 1939 auf 41,9 Kilometer aus. Zwischen 1945 und 1954 gehörte zusätzlich die 2,2 Kilometer lange »Städtische Straßenbahn Walldorf« zum Bestand der HSB.
Die Folgen des Ersten Weltkrieges, Inflation und hoher Arbeitslosigkeit, brachte die Aktiengesellschaft schon in den 1920er-Jahren in erhebliche finanzielle Bedrängnis. Schlimmer wurde es dann nach dem Zweiten Weltkrieg. 1960 noch bot die Gesellschaft zur Erhöhung des Stammkapitals neue Aktien zum Kauf an. Ab 1962 sah sich die Stadt Heidelberg gezwungen, die gemeinwirtschaftlichen Kosten der HSB zu übernehmen, wollte man auf einen funktionierenden Nahverkehr nicht verzichten.
Schuld an der Finanzmisere war nicht nur der Fahrgastschwund durch die beginnende Massenmotorisierung, sondern auch der enorme Aufholbedarf, der durch die beiden Weltkriege entstanden war. Viele Instandhaltungen an Fahrzeugen und Infrastruktur wurden unterlassen und mussten nun in kürzester Zeit aufgeholt werden. Dazu kam noch, dass die Fahrgelder seit 1914 nur unwesentlich ­erhöht wurden, die Personalausgaben bis 1960 aber um 480 Prozent angestiegen waren.

Kampf mit dem Autoverkehr
Als dann 1969 die Tarife moderat auf das allgemeine Preisniveau angehoben werden sollten, kam es zu erheblichen Studentenprotesten mit Bahnblockaden, die bis 1974 immer wieder aufflackerten. Dabei wurden sogar die Rillenschienen stellenweise mit Zementmörtel ausgegossen. 1971 endlich konnte ein vereinfachter, aber teurerer Tarif eingeführt werden, der auch den Einmannbetrieb, also Fahrkartenverkauf durch die Fahrer, ermöglichte.
Aber nicht nur die sinkenden Verkehrserlöse machten der HSB zu schaffen, sondern vielmehr die Betriebsbedingungen die durch den zunehmenden Autoverkehr für die Straßenbahn immer unzumutbarer wurden. So versuchte der weitblickende Straßenbahndirektor Fritz Bergmaier seit 1949 durch den Bau zweiter Gleise, der Schaffung eigener Bahnkörper, Wendeschleifen und Entschärfung neuralgischer Verkehrsknotenpunkte den Betrieb auf der Schiene flüssig zu halten.
Zwischen 1949 und 1955 eröffnete die HSB im Zusammenhang mit der Verlegung des alten Hauptbahnhofes rund vier Kilometer Neubaustrecke durch die heutige Kurfürstenanlage, Römerstraße, Schillerstraße und die Karl-Metz-Straße. Interessant dabei ist auch, dass schon zwischen 1891 und etwa 1910 die OEG durch die Karl-Metz-Straße fuhr.
Anfang der 1960er-Jahre waren in Heidelberg rund 30.000 PKW einschließlich der US amerikanischen Zivilfahrzeuge angemeldet. Heute sind es doppelt so viele. ­Dennoch verhinderte damals der in den städtischen Amtsstuben und in der Autofahrerlobby herrschende Anti-Straßenbahn-Zeitgeist eine wirksame Trennung von Bahn und Autoverkehr auf den eingleisigen Außenlinien. Begriffe wie Verkehrsberuhigung, Fußgängerzone oder Umgehungsstraße waren damals fremd.

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