Vorsicht, bremst kurz!

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Die Prager Tatra-Werke, die im Zuge der Verstaatlichung aus dem traditionsreichen Unternehmen Ringhoffer-Tatra hervorgegangen waren, hatten die Lizenz zum Bau des PCC-Wagens erhalten. Und so entstand 1951 im Werk Prag-Smichov der Prototyp des neuartigen Tatra-Triebwagens T1 (die Firma CKD Prag lieferte die elektrische Ausrüstung). Am 22. November 1951 fuhr der Tw Nr. 5001 erstmals durch Prag. Zwischen 1951 und 1958 wurden insgesamt 287 Triebwagen des Typs T1 gebaut, allein 133 Fahrzeuge für den Prager Straßenbahnbetrieb.

Premiere auf deutschen ­Gleisen 

Die Firma Universal Transport Prag überführte den 1952 gebauten Tw 5002 mit einem Tieflader nach Magdeburg. Hier musste noch die Betriebszulassung durch die TAB, die Technische Aufsichtsbehörde des Landes Sachsen-Anhalt in Halle/Saale, erteilt werden. Eine intensive Probefahrt hatte zu erfolgen, um zu entscheiden, ob der Triebwagen überhaupt bei Sonderfahrten eingesetzt werden kann. Der T1 ist mit 2,40 m immerhin 20 Zentimeter breiter als die in Magdeburg verkehrenden Tatras.

An den erhöhten Kanten einiger Haltestellenbahnsteige hätte die Prager Bahn anstoßen können. Doch die Probefahrt am Abend des 4. September 2009 verlief problemlos; lediglich ein Verkehrsschild am Westring stand etwas dicht am Gleis und vollzog mit sanfter Gewalt eine leichte Drehung ... Nachdem Petr Ctvrtnik und Petr Lezatka vom Prager Verkehrsbetrieb die Magdeburger Fahrerin Silke Schäfer mit dem Wagen vertraut gemacht hatten, war der Weg frei für »Babicka«!
Der T1-Triebwagen entspricht mit seinen Fahr- und Bremswerten weitgehend dem Typ T4D. Deshalb war tatsächlich die Wagenbreite das eigentliche Problem für den Einsatz des Fahrzeugs in Magdeburg. Die Zulassung durch die TAB erfolgte kurzfristig und problemlos. Lediglich die Höchstgeschwindigkeit des Triebwagens wurde auf 30 km/h begrenzt.

Nach einem würdigen »Roll-Out« im Museumsdepot drehte die Prager Bahn am 5. und 6. September zuverlässig und unaufhörlich im Stundentakt ihre Runden zwischen Depot Sudenburg und Diesdorf und legte dabei rund 100 Kilometer zurück. Etwa dreihundert begeisterte Straßenbahnfans ließen sich die einmalige Gelegenheit nicht entgehen, mit dem Prager Gastfahrzeug zu fahren, sich an persönliche Erlebnisse mit der Straßenbahn zu erinnern und Vergleiche zu den Tatra-Wagen in Magdeburg zu ziehen.

Der Einsatz des T1-Triebwagens war sowohl erstmalig und wird wohl auf absehbare Zeit auch einmalig bleiben: Niemals zuvor fuhr ein original tschechischer T1-Triebwagen auf deutschen Straßenbahngleisen!

Umfangreiche ­Tatra-Fahrzeugausstellung

Im historischen Museumsdepot wurde an diesem Wochenende eine Ausstellung diverser Tatra-Wagen gezeigt. »Hauptdarsteller« war dabei der historische Tatra-Zug aus dem T4D-Tw 1001 und dem B4D-Bw 2002 aus der ersten Lieferung von 1969. Dazu kamen die im Linienverkehr eingesetzten Wagen 1168 (T4D mit Chopper-Steuerung, Baujahr 1976, Modernisierung 1995), Wagen 1184 (T4D-Kinderbahn, Baujahr 1976, Modernisierung 1995) und Wagen 1284, ein 1990 gebauter T6A2-Triebwagen (ex Schwerin).

Mit von der Partie waren auch der Schienenschleifwagen 708 (Baujahr 1974, Umbau 2002), der Transporttriebwagen 756 (Baujahr 1976, Umbau 1990), der Fahrschulwagen 774 (Baujahr 1986, Umbau 1993) und der Arbeitstriebwagen 713 (Baujahr 1979, Umbau 2004).

Die historischen Fahrzeuge der IGNah-Sammlung waren in der Hauptwerkstatt in Brückfeld zu sehen, wo die Besucher auch hinter die Kulissen schauen und ausgewählte Werkstattbereiche besichtigen konnten. Zwischen beiden Veranstaltungsorten verkehrten auf der historischen Linie 77 eine Tatra-Doppeltraktion aus Tw 1120 und Tw 1248 und der Gotha-Zug aus Tw 413 und Bw 509 im Stundentakt.

Am späten Sonntagabend des 6. September sollte der T1-Tw 5002 schließlich die Heimreise nach Tschechien antreten. Nach dem Ende der Veranstaltung unternahmen die IGNah-Vereinsmitglieder aber noch eine ehrenvolle Abschiedsfahrt mit dem liebevoll und detailgetreu restaurierten »Ehrengast« aus Prag, der den Eindruck machte, als hätte er gerade nagelneu die Fabrik verlassen. In der Wendeschleife in Diesdorf ergab sich für alle Beteiligten Gelegenheit, auf die gelungene Jubiläumsveranstaltung anzustoßen und sich für das nächste Jahr in der »goldenen Stadt« zu verabreden.

Nanu, saßen da nicht der kleine Frantik und Onkel Fiala im Wagen und haben uns glücklich zugezwinkert ...?   

von Ralf Kozica

Im nächsten Heft blicken wir auch noch einmal kurz auf die Jubiläumsfahrten in Halle an der Saale zurück, wo sich im Jahr 2009 der erste Einsatz von Tatra-T4D-Wagen ebenfalls zum 40. Mal jährte.

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Fotos: 
siehe Bildunterschrift
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