Von der Dampfkleinbahn zum Diplomatenexpress

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In einem Fabrikkatalog machte das Unternehmen mit dem von van der Zypen 1914 gebauten Wagen 45 nunmehr unter seinem Namen Werbung. Neben den beiden Nachlieferungen für Bonn konnte auch noch von Dortmund ein Auftrag für zehn ähnliche Beiwagen verbucht werden, die etwas kürzer waren und andere Drehgestelle besaßen. Sie wirkten bei weitem nicht so elegant wie die Bonner Fahrzeuge. Der erste Nachbau (Bw 46) für Bonn war so rechtzeitig fertig gestellt, dass er 1924 auf der großen internationalen Eisenbahnausstellung in Seddin der Fachwelt vorgestellt werden konnte.
Von den fünf »Badewannen« überlebte Wagen 43 den Krieg leider nicht, die übrigen vier waren noch bis 1960 im Bestand, wurden aber mit zunehmender Zahl dreiachsiger Wendezüge immer seltener eingesetzt. Ein 1954 mit dem Wagen 44 begonnener Modernisierungsversuch in eigener Werkstätte erwies sich als zu kostspielig und blieb daher unvollendet.

Die BGM wird zur ­»Diplomatenbahn«
Die Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt stellte auch die »Mehlemer Bahn« vor neue Herausforderungen. Sie durchfuhr zwischen Reuterstraße und Bad Godesberg auf der Koblenzer Straße, zugleich Bundesstraße 9, das neue Regierungsviertel und bediente hier wichtige Ministerien und Parteizentralen. Auch zahlreiche Botschaften siedelten sich zwischen Bonn und Bad Godesberg an, was der B9 sehr schnell den Beinamen »Diplomatenrennbahn« eintrug. Die im Straßenplanum verlaufende Straßenbahn mit ihren alten Fahrzeugen wollte nicht so recht dazu passen. Ausserdem erlebte sie durch die Anlage des Regierungsviertels einen erheblichen Anstieg der Fahrgastzahlen, so dass 1949 an Werktagen und an Sonntag-Nachmittagen der durchgehende 15-Minuten-Takt eingeführt werden musste.
Zwei Trieb- und fünf Beiwagen hatten den Krieg nicht überlebt und auch zwei 1944 aus München übernommene Beiwagen, die ursprünglich aus Dresden stammten, konnten den Fahrzeugmangel kaum lindern. So musste sich das Unternehmen 1949 dringend Gedanken über eine Erneuerung der Fahrzeuge machen. An sie wurden nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch gestalterisch besondere Anforderungen gestellt. So kamen nur Zweirichtungswagen in Frage, die zur Vermeidung von Rangierbewegungen an den Endstationen nach dem Vorbild der Vorortbahnen nach Bad Honnef und Siegburg als Wendezüge mit Führerständen an beiden Zugenden ausgestattet sein sollten. Ein hohes Fassungsvermögen war ebenso gefordert wie eine gute Beschleunigung. Vierachser kamen aber nach Ansicht der Betriebsleitung nicht in Frage, da weder die Struktur der Strecke z.B. durch Gleisbögen und Länge der Ausweichen, noch die Einrichtung der Werkstätte darauf ausgelegt waren. Das von der Kölner Westwaggon angebotene dreiachsige Lenkuntergestell schien gut geeignet, da es gegenüber den Zweiachsern eine erheblich größere Laufruhe bot, gleichzeitig aber einen längeren Wagenkasten ermöglichte.

»Zwillinge« als Testobjekt
Die Notwendigkeit, die beiden im Krieg zerstörten Triebwagen günstig und schnell zu ersetzen führte zu der Entscheidung, zwei Beiwagen entsprechend umzubauen. Dieser Umbau sollte gleichzeitig dazu genutzt werden, die Brauchbarkeit dreiachsiger Untergestelle zu testen. Auch sollten die Triebwagen eine Zugsteuerung erhalten um auch diese Betriebsform ausprobieren zu können. Nachdem Westwaggon sich bereit erklärt hatte, die Umrüstung der beiden alten Beiwagen vorzunehmen, traten sie 1949 die Reise ins Werk an. Dort wurden die Wagenkästen auf die mit neuen Siemens-Motoren ausgestatteten Lenkuntergestelle gesetzt. Sie erhielten zwei neue Plattformen mit Führerständen aus Blech, Rollband-Zielanzeige und einen Liniennummernkasten auf dem Dach. Das alte Laternendach des Beiwagens wurde als so genanntes Schleppdach bis an Fronten des Wagens verlängert. Die beiden Dreiachser waren mit 11,90 Meter nun einen Meter länger als ihre Spenderfahrzeuge.

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