Von der Dampfkleinbahn zum Diplomatenexpress

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Sie wirkten mit ihren massiven Untergestellen etwas »hochbeinig«.
Die Ausstattung war sehr geschmackvoll und komfortabel, dieser Tradition sollte sich die »BGM« bis in die 1960er-Jahre verpflichtet fühlen. Zwei Motoren von 45 bis 60 kW-Leistung sorgten für eine gute Beschleunigung. Der Achsstand in dem wuchtig wirkenden Untergestell betrug 3,30 Meter. Die Masse der Triebwagen betrug 13,3 Tonnen, das der Beiwagen acht Tonnen.

»Badewann« und »Böötchen« – die Niederflurbeiwagen
Im Jahre 1914 sorgte eine Beiwagenbeschaffung der Straßenbahn Bonn-Godesberg-Mehlem für Aufsehen in der Fachwelt. Der Kölner Hersteller van der Zypen & Charlier, später Keimzelle der Westwaggon, hatte sich schon sehr früh der Frage angenommen, in welcher Form sich die Einstiegsverhältnisse bei Straßenbahnwagen verbessern ließen. Am ehesten schienen hierfür Beiwagen geeignet, und dann solche mit Mitteleinstieg. Zum einen ließ sich dieser sehr weit absenken, zum anderen erlaubte das Fehlen der Antriebsausrüstung die Verwendung von Untergestellen mit kleinrädrigen Laufachsen. Das ­dafür übliche zweiachsige Fahrwerk bedeutete aber immer noch, zwischen der Plattform und den beidseitig davon angeordneten Fahrgasträumen eine Stufe überwinden zu müssen.
Um den stufenlos erreichbaren Wagenteil zu vergrößern, gingen die Techniker zu ­einem Drehgestellwagen über. Die Konstruktion ruhte auf zwei ganz außen angeordneten, gekröpften und flachen ­zwei­achsigen Drehgestellen. Fahrzeuge mit Mitteleinstieg eigneten sich nicht für den Stadtverkehr mit häufigem und starkem Fahrgastwechsel, für Überland- und Vorortbahnen aber waren sie ideal. Die BGM, schon in der Anfangszeit eine vorwiegend von »vornehmem« Publikum genutzte Bahn, fand sofort Gefallen an dieser besonderen Konstruktion und bestellte drei Wagen (Bw 43–45), die kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zur Verfügung standen.
Die 12,80 Meter langen Vierachser waren vom Aussehen her einer der seinerzeit üblichen Badewannen nicht unähnlich, so dass »Badewann« bald ein gebräuchlicher und einprägsamer Spitzname wurde. Auch als »Böötchen« wurden sie bezeichnet. Mit Ausnahme der über den Drehgestellen liegenden Endabteile, zu denen jeweils zwei flache Stufen führten, war der gesamte Innenraum eben und lag wie auch der Einstieg nur etwa 30 Zentimeter über der Schienenoberkante.
Damit war er von Bahnsteigen oder Bordsteinen stufenlos erreichbar. Diese Bequemlichkeit trug ihnen auch den Beinamen »Plattföös« ein. Die Wagenbreite betrug 2,30 Meter, der Drehzapfenabstand der Untergestelle 9,50 Meter. Im Inneren gab es 44 Sitzplätze in Abteilanordnung, an den höher liegenden Enden Längsbänke. Die Fahrgasträume waren zu den Plattformen hin mit Portalwänden und Schiebetüren abgeteilt. Das Laternendach war zu den Wagenenden hin eingezogen, es ermöglichte mit seiner großen Zahl aufstellbarer Fenster eine gute Belüftung. Der tief liegende Schwerpunkt der Wagen führte zu einem hervorragenden, da weitgehend schwankungsfreien Lauf. Zusammen mit der ­großen Zahl Sitzplätze, den bequemen Einstiegsverhältnissen und der geschmackvollen Ausstattung sorgte dies für eine sehr hohe Beliebtheit der Wagen bei den Fahrgästen. Auch den Schaffnern war die Arbeit erleichtert, gab es doch nur eine einzige Türe zu überwachen.

Nach Mehlem in der Mitte, nach Bonn am Schluss
Der Einsatz der Niederflurbeiwagen erfolgte gemeinsam mit einem der zweiachsigen Beiwagen im Dreiwagenzug. Richtung Mehlem lief er im Regelfall in der Zugmitte, auf der Rückfahrt nach Bonn dann am Schluss. In den 1920er-Jahren zeigte die BGM Interesse an zwei weiteren derartigen Beiwagen um in jedem der fünf »großen« Umläufe einen bequemen Einstieg anbieten zu können. Van der Zypen war jedoch so gut mit Aufträgen eingedeckt, dass es an der Fertigung solch kleiner Stückzahlen kein Interesse hatte und die Konstruktionszeichnungen seinem örtlichen Konkurrenten Linke-Hofmann-Lauchhammer (LHL) verkaufte. Diese hatten die ehemalige Her­brand-Fabrik in Köln-Ehrenfeld nach deren Insolvenz 1917 als »Werk Köln« übernommen.

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