Von der Dampfkleinbahn zum Diplomatenexpress

Vor 100 Jahren ging die Kleinbahn Bonn – Godesberg – Mehlem als elektrische Straßenbahn (wieder) in Betrieb. Nach 1949 bediente sie viele Einrichtungen der Bundesregierung und auch zahlreiche Botschaften. Von Axel Reuther
 
Die Universitätsstadt Bonn und ihre Umgebung konnten lange Jahre mit einer bemerkenswerten Vielfalt von Verkehrsmitteln aufwarten. Bis zu sechs verschiedene Gesellschaften boten Nahverkehr auf Schiene und Straße mit Straßen- und Überlandbahnen, einer elektrischen Privatbahn, Obussen und ­Autobussen. Das sorgte für eine große Vielfalt an Fahrzeugen und viele interessante Betriebssituationen. Die Wahl Bonns als ­Regierungssitz der alten Bundesrepublik führte in den 1950er-Jahre zu einer grundlegenden Modernisierung der Betriebe, die zugleich ihr Überleben sicherte. Ab Mitte der 1970er-Jahre vollzog sich im nunmehr durch Eingemeindungen zur Großstadt gewordenen Bonn ein erneuter Wandel und es entstand das Stadtbahnnetz Rhein-Sieg. Gründe genug, sich einmal etwas ausführlicher mit den einzelnen Bahnen und ihren Besonderheiten zu beschäftigen. Aus aktuellem Anlass soll die Verbindung Bonn-Bad Godesberg-Mehlem am Anfang der Betrachtungen stehen, denn sie wurde vor einhundert Jahren, im Juli 1911, auf elektrischen Betrieb umgestellt. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf den besonderen Fahrzeugen der 1950er-Jahre.

Die Anfangsjahre
Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts bescherte auch der Stadt Bonn ein rasantes Wachstum. Lebten hier 1834 erst 12.500 Menschen, waren es 1890 bereits knapp 40.000. Auch die umliegenden Orte wuchsen stark. Die daraus resultierende Verkehrsnachfrage sollte nach dem Willen der Bonner Stadtväter durch den Bau von Pferdebahnen in die unmittelbar angrenzenden Gemeinden befriedigt werden; zur Verbindung mit Godesberg und Mehlem erschien aufgrund der Entfernung aber eine Dampfkleinbahn sinnvoller.
Für beide Systeme erhielt 1891 die Berliner Bau- und Betriebsunternehmung Havestadt, Contag & Cie die Konzession. Gebaut wurde in Meterspur, da dies zum einen eine bessere Befahrbarkeit der engen Stadtstraßen versprach, zum anderen Ärger mit der preußischen Staatsbahn vermied, die in Normalspurbahnen stets eine Konkurrenz sah. Am 22. Mai 1892 ging die Dampfbahn zwischen der Endstation der im April des Vorjahres eröffneten Pferdebahn außerhalb der Innenstadt und Godesberg in Betrieb. Im Mai des Folgejahres wurde sie bis Mehlem verlängert und gemeinsam mit der Pferdebahn unter dem Namen »Bonner Straßenbahn« verwaltet und betrieben. Die zwölf Kilometer lange eingleisige Strecke mit Ausweichen verlief zumeist auf eigenem Bahnkörper, fünf Kilometer waren im Straßenplanum verlegt. 1897 wurde die Dampfbahn parallel der Eisenbahn bis in die Nähe des Bonner Bahnhofs verlängert. Eingesetzt wurden maximal acht zweiachsige Kastendampfloks, sowie neun zwei- und 20 vierachsige Beiwagen verschiedener Ausführungen, geliefert zwischen 1892 und 1897.
Ihr größtes Aufkommen verzeichnete die Bahn im Ausflugsverkehr an schönen Sonntagen, wenn in dichter Folge längere Zügen fahren mussten. Zu anderen Zeiten reichte oft eine stündliche Zugfolge aus. 1904 ging die Strecke in das Eigentum der Städte Bonn und Godesberg über, die für die Betriebsführung ein Jahr später die »Straßenbahn Bonn-Godesberg-Mehlem« gründeten. Nachdem 1902 die ersten elektrischen Straßenbahnen in Bonn verkehrten und 1906 die Rheinuferbahn als elektrische Schnellbahn zwischen Bonn und Köln ihren Betrieb aufnahm, forderten bald Stimmen, auch die Dampfbahn nach Mehlem durch das zeitgemäßere elektrische Verkehrsmittel abzulösen.
Die Planungen dazu zogen sich über mehrere Jahre hin. 1911 wurde die meterspurige Dampfbahn abschnittsweise eingestellt und danach die Strecke umgespurt, elektrifiziert und teilweise zweigleisig ausgebaut. Zwischen Bonn, Kaiserplatz und Rüngsdorf erfolgte die Aufnahme des Betriebes am 24. Juli 1911, am 4. Oktober war Mehlem, Rheinfähre und zehn Tage später die Endstation Mehlem, Ort erreicht. Im Verlauf der Coblenzer Straße wurden auf einem kurzen Stück die Gleise der Stadtstraßenbahn nach Gronau mitbenutzt. In Friesdorf entstand ein neuer Betriebsbahnhof für die elektrischen Fahrzeuge.

Das Godesberger ­»Schellenmännchen«
Die Streckenlänge betrug 10,1 Kilometer, davon waren 7,3 Kilometer zweigleisig und 2,8 Kilometer eingleisig.

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