Vier Jubiläen in einem Jahr

»München mag’s mobil« – 1861 begann in der bayerischen Hauptstadt der öffentliche Personen- nahverkehr, mit Zinsmeisters Groschenwagen. Text von Peter Schricker
 
2010 nutzten 633 Millionen Fahrgäste S- und U-Bahn, Tram und Bus – so viele wie noch nie in den zurück- liegenden 150 Jahren:
Die Stadt München wuchs rasch während des 19. Jahrhunderts. Rund um die alte Stadt, deren Mauern Kurfürst Karl Theodor um 1800 hatte schleifen lassen, im 19. Jahrhundert entstanden daraufhin neue Stadtviertel, dazu begann die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften Au, Haidhausen und Giesing, die alsbald mit der Kernstadt zu einem urbanen Raum mit 130.000 Menschen (1861) verschmolzen. Damit wuchs die Länge der Wege für die Bürgerinnen und Bürger. Hinzu trat die Eisenbahn, die überregionale Mobilität ermöglichte. Seit 1839 bereits verkehrten auf der Eisenbahn München – Lochhausen – Augsburg Züge. Deshalb sollte der Centralbahnhof am westlichen Rand der damaligen Stadt für die Ankommenden und Abreisenden mit den anderen Teilen Münchens verbunden werden.

Es begann vor 150 Jahren
Dies bewog schließlich vor 150 Jahren den Fuhrunternehmer Michael Zechmeister dem Vorbild anderer Städte folgend und um »einem längst gefühlten Bedürfnisse unserer Residenzstadt abzuhelfen« dazu, am 16. Juni 1861 erstmals einen öffentlichen Personenverkehr in der Stadt anzubieten. Drei eisenbereifte, von Pferden gezogenen Großkutschen, die »Groschenwagen«, pendelten auf festem Linienweg fünfmal täglich auf der Strecke Centralbahnhof – Marienplatz – Tal – Mariahilfplatz. Die Nachfrage allerdings war zu gering. Immerhin kostete eine Fahrt 6 Kreuzer, doppelt so viel wie ein Pfund Brot. 1863 stellte Zechmeister den Betrieb wieder ein, ohne freilich seine Pläne endgültig zu begraben. 1869 startete er in der nun auf circa 152.000 Einwohner angewachsenen Stadt auf fünf Linien einen Betrieb mit sogenannten Omnibussen. Bei einem Fahrpreis von nur drei Kreuzern gestaltete sich das Unternehmen erfolgreich.

Währenddessen existierten in der Hauptstadt des Königreichs Bayern längst Bestrebungen, dem Beispiel von Weltmetropolen nacheifernd Schienen zur Grundlage öffentlichen Nahverkehrs zu machen. Bedenken von Stadtverwaltung und Bürgerschaft ließen die Pferdebahnpläne der 1860er-Jahre nicht gedeihen. Erst der enorme Wachstumsschub nach Gründung des Deutschen Reiches 1871, der auch München erfasste, verschaffte jenen Plänen neuen Aufwind. Einflussreiche Bürger sowie der vorausschauende Stadtbaurat Zenetti überzeugten schließlich den Magistrat der Stadt. 1873 beschloss er die Errichtung eines Trambahnnetzes. Allerdings legte sich die Polizeidirektion quer, indem sie das Verlegen von Gleisen in der Altstadt untersagte. Die politischen Entscheidungsträger rangen indessen um die Frage, wer die Tram betreiben solle, die Stadt selbst – so das Stadtbauamt – oder ein Privatunternehmen – so die Pferdebahnkommission des liberalen Magistrats. Die Bürgervertretung sah 1875 die Schaffung und den Unterhalt von Verkehrsinfrastruktur noch nicht als gesellschaftspolitische Aufgabe mit allen finanziellen Konsequenzen an. 1876 erteilte München dem belgischen Unternehmer Otlet, der schon in Prag und Wiesbaden im Pferdebahngeschäft engagiert war, eine Konzession auf dreißig Jahre.

Vertragsgemäß hatte Otlet zwei Strecken zu errichten:
A.    Schlossplatz Nymphenburg – Stadtgrenze (an der heutigen Maillingerstraße) – Karlsplatz (Stachus) – Promenadeplatz, mit einer Zweigstrecke entlang der alten Stadtbefestigung vom Karlsplatz über das Sendlinger Tor  und das Isartor zum Ostbahnhof.
B.    Schwabing (heutige Münchner Freiheit) – Odeonsplatz – Maximiliansplatz – Karlsplatz – Bayerstraße (heutige Haltestelle Martin-Greif-Straße)

135 Jahre Straßenbahn
Den Plänen folgten schnell Taten: Am 21. Ok­tober 1876 rollten erstmals Trambahnen vom Promenadeplatz zur Stadtgrenze in der Nymphenburger Straße.

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