Unsere Frage des Monats aus Heft 05/15

Verpasste Chance: Linie 105 nach Oberhausen

Seiten

„Was hätte besser gemacht werden müssen, um eine Zustimmung der Oberhausener Bevölkerung zur Verlängerung der SL 105 von Essen nach Oberhausen zu erlangen? Die Antwort kann ich hier schon einmal vorwegnehmen: Ich weiß es nicht! Oder anders ausgedrückt: Ein Volksentscheid hätte möglichst vermieden werden müssen. Aber der Reihe nach: Auch wenn ich im tiefsten Osten, ca. 600 Kilometer vom Ort des Geschehens lebe, so konnte ich doch den Werdegang des Projekts und die Diskussion darum, Dank der WAZ-Online-Plattform ,,Der Westen“ recht hautnah verfolgen und ohne mir dabei selbst auf die Schulter zu klopfen, muss ich (leider) sagen, dass ich den Ausgang so vorausgesehen habe. Eigentlich bringen Christian Lücker auf Seite 3 und Werner Overkamp im anschließenden Interview die Sache gut auf den Punkt. Aber in Ergänzung dessen würde ich einmal über einige meiner Erfahrungen sprechen, die ich bei einer ähnlichen Aktion hier in Frankfurt (Oder) machen konnte: Damals ging es um eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie in die polnische Nachbarstadt Slubice, ein Projekt, das der Frankfurter Straßenbahn potentiell 18.000 neue Fahrgäste beschert hätte und größtenteils aus EU-Fördermitteln bezahlt worden wäre. Der Bau war im Stadtparlament so gut wie durch, als einige Abgeordnete kalte Füße bekamen. So wurde eine „Volksbefragung“ beschlossen, die im Januar 2006 stattfand und in einem Desaster für die Befürworter endete: es gab zum Bau der Straßenbahn 82 Prozent Nein-Stimmen und 18 Prozent Ja-Stimmen bei 25 Prozent Beteiligung.

Neuer Versuch 2009

Im Jahr 2009, die Wogen hatten sich ziemlich geglättet, brachte der damalige SVF-Geschäftsführer Ebermann die Sache wieder aufs Tapet. Im Verbund mit einer straßenbahnmäßigen Erschließung von Wohngebieten und einem Einkaufszentrum im Norden Frankfurts sollte auch wieder die Strecke nach Slubice realisiert werden. Zunächst schien es, als wäre die Resonanz in der Bevölkerung weitaus positiver als 2006. Es gründete sich eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, die Strecke nach Slubice voranzubringen Führend dabei einige Stadtverordnete aller Parteien. Die Fronten gingen in Frankfurt (Oder) bei diesem Thema immer quer durch die Parteien. Doch bald wurde wieder eine deutliche Antistimmung gegen das Projekt erzeugt. Führend einige Medien, hauptsächlich diverse freie Anzeigenblätter, die man samstags im Briefkasten findet. Die führende Frankfurter Tageszeitung stellte sich zwar nicht offen gegen die Tram über die Oderbrücke, aber tendenziöse Leserbriefauswahl erinnerte an das Goethe-Zitat: „Man merkt die Absicht und ist verstimmt!“ Die Argumente waren vergleichbar mit denen in Oberhausen: Warum kein Bus? Das Geld lieber zur Schulsanierung! Über antipolnische Ressentiments will ich hier nicht reden. Die Trambefürworter wurden auf den Internet-Kommentar-Seiten aufs Übelste beschimpft und persönlich angegriffen. Erwähnenswert die Tatsache, dass ein großer Teil der Lokalpolitiker aus der Bürgerinitiative „Pro Tram“ offenbar nur dieser BI angehörten, um sich den Erfolg, eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie initiiert zu haben, auf die Fahne zu schreiben. Als die Erfolgsaussichten sanken, erfolgte das Abtauchen in die Schützengräben, wo sich der SVF-Geschäftsführer längst befand. Kurzum – das Ganze scheiterte letztlich daran, dass sich in Polen der Wind drehte. Der alte Slubicer Bürgermeister, der die Straßenbahn unbedingt wollte, wurde durch einen Tramskeptiker abgelöst. Mittlerweile fährt auf dieser Linie ein Bus, der trotz miserabler Taktzeiten und katastrophaler Anbindung an das restliche Nahverkehrsnetz stets proppenvoll ist. Gibt es einen besseren Beweis, dass die Straßenbahnlinie sich gelohnt hätte?

Typisch für ganz Deutschland

Seiten

Weitere Themen aus dieser Rubrik

Der Mensch als Fehlerquelle?

"Ich war doch nur ganz kurz abgelenkt“, zitieren zahlreiche Unfallprotokolle in ganz Deutschland die Fahrer von Stadt- und... weiter

Freiburg vor dem Generationswechsel - Gnadenfrist für die letzten sechs GT8K bis 2017

Die VAG in Freiburg bekommt gerade sechs Niederflurwagen von CAF geliefert – trotzdem mustert sie die letzten sechs hochflurigen GT8K nicht aus. Sie m&... weiter

Wirklich sicher?

Hat er seinen Tod fahrlässig in Kaufgenommen? Noch immer ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft, wieso am Pfingstwochenende ein 20-Jähriger zwischen zwei als...

weiter

Das könnte Sie auch interessieren