Tram bleibt Trumpf!

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Einige Städte verloren ihre Kreisfreiheit. Plötzlich hatten die Abgeordneten der Kreistage über eine Straßenbahn mitzuentscheiden, die ihnen angesichts der großen Nöte überall im Kreis wie der pure Luxus vorkommen musste. Langwierige Auseinandersetzungen waren die Folge. Denkt man zurück an die langen Debatten über die Strausberger Eisenbahn, die Straßenbahn Halberstadt und die Schöneicher Straßenbahn (SRS), dann stellt man staunend fest, in welch gutem Zustand diese Betriebe heute sind! Gerade die SRS ist dabei auch unter dem besonders »kritischen« Aspekt zu sehen, dass diese nicht nur durch zwei Landkreise (mit seinerzeit unterschiedlicher Haltung zum Thema Straßenbahn), sondern auch noch über Berliner Hoheitsgebiet fährt.

Bei den anderen kleinen Betrieben in den »neuen Bundesländern« hielten sich die Aufgaben von Strecken in Grenzen. Tatsächlich ins Gewicht fielen lediglich die 2002 stillgelegte Strecke nach Kirchmöser in Brandenburg/Havel und die 2007 aufgegebene Anbindung des Unteren Bahnhofs in Plauen. Und in Halberstadt bedient den Abschnitt zur Klus heute nur noch am Wochenende die Straßenbahn mit, wochentags pendelt dort ein Bus.
Gera-Zwötzen wird inzwischen anders – und besser – mit der Straßenbahn erschlossen. In Görlitz soll die still liegende Strecke zur Virchowstraße in anderer Form irgendwann wieder an das Netz angeschlossen werden und die Güterstrecke der Strausberger Eisenbahn war für den ÖPNV ohnehin nicht relevant.

Verbaute Fördermittel als »Rettungsanker«

Die Grundlage für das Überleben der kleinen Betriebe wurde schon kurz nach der Wende gelegt. Fast überall hatte man begonnen, mit üppigen Fördermitteln völlig veraltete Betriebshöfe und Gleisanlagen zu erneuern. Und ohne tatsächliche langfristige Nutzung der geschaffenen Infrastruktur sind diese Fördermittel zu einem von der Nutzungszeit abhängigen Anteil an den Staat zurückzahlen.

Oft wurde den Politikern erst durch spezielle Gutachten bewusst, dass eine Abschaffung »ihrer« Straßenbahn sie unter dem Strich folglich weitaus teurer gekommen wäre, als deren Beibehaltung. Es kam zu weiteren Sanierungen und es wurden weitere Fördermittel verbaut und somit der zumindest mittelfristige Fortbestand der Straßenbahn letztlich festgeschrieben. Gerade dort, wo die bekannten Argumente für die Straßenbahn von den Entscheidern gerne »überhört« werden, stellen festzementierte Fördermittel wohl den entscheidenden »Rettungsanker« für den jeweiligen Betrieb dar und beweisen: Straßenbahnen sind für kurzfristige Einsparmaßnahmen denkbar ungeeignet!

Entsprechend waren die finanziellen Kompromisse auf kommunaler Ebene irgendwann dann doch ausgehandelt. Außerdem steckt der Teufel beim Vergleich zwischen Bus und Straßenbahn nach wie vor im Detail: Wenn der Bus etwa mit einer Straßenbahn auf eigener Trasse konkurrieren muss, ergibt sich schnell ein kostenintensiver Fahrzeugmehrbedarf.

Schließlich lässt sich eine Stilllegung – zumindest eines gesamten Netzes – auch nicht einfach durchsetzen, wie das jüngste Beispiel Cottbus zeigt. Die Bürger haben verstanden, dass die Debatte über die Abschaffung der Straßenbahn morgen die ­Debatte über die Schließung des Theaters, einer Schule oder eines Amtes sein kann.

Die Bürger wollen die Straßenbahn

Also wehren sie sich gegen weitere Verschlechterungen in ihrer Stadt, die noch mehr Abwanderungen und ein weiteres Ausbluten nach sich ziehen würden. Und nicht zuletzt spielt auch der emotionale Aspekt eine wichtige Rolle, animiert eine »sichtbare« traditionelle Straßenbahnstrecke doch deutlich nachhaltiger zur Nutzung des ÖPNV als ein »anonymer« Bus, der »dank« seiner Flexibilität je nach Tageszeit auch noch sein Fahrweg mehrfach ändert.

Nachdem die kleineren Betriebe in der ehemaligen DDR also bis heute überlebt haben und in vielen Fällen immerhin noch eine Bestandsgarantie für bis zu zehn weitere Jahre besitzen, sehen einige Stadtväter in der aktuellen Situation sogar wieder langfristige Perspektiven für kleine Straßenbahnen, wie z.B. auch im Interview mit Frankfurts Oberbürgermeister Patzelt (Seiten 24/25) deutlich wird.

Kleine Ausbaupläne statt  große Stilllegungszenarien

Tatsächlich tut sich auch bei den kleineren Betrieben aktuell eine ganze Menge: Es wird sogar wieder über Ausbauten nachgedacht! In Frankfurt wird die eigentlich schon zu den Akten gelegte Straßenbahn-anbindung ins polnische Słubice auf Initiative des Oberbürgermeisters noch einmal geprüft. Was könnte die Verbundenheit an dieser historisch außerordentlich sensiblen Grenze besser symbolisieren als eine solide Schienenverbindung?

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