Tram-Aus in Cottbus?

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Die jährlichen Betriebskosten würden von heute 6,4 Mio. auf 4,17 Mio. Euro sinken. Unterm Strich sei damit also eine Einsparung von rund 4 Mio. Euro pro Jahr für den städtischen  Haushalt zu erzielen. Allerdings müssten die Rückbau- bzw. Investitionskosten aus diesen jährlichen Einsparungen finanziert werden.

Möglicher Rückbau der Tram in vier Schritten

Im Falle der Gesamteinstellung des Straßenbahnbetriebs empfiehlt ptv eine schrittweise Umstellung des Netzes in Jahresschritten bis 2013: Im Jahr 2010 sollen die Äste nach Schmellwitz, Anger und der Abschnitt Sportzentrum – Madlow entfallen. Dabei käme man ohne neue Busse aus, könnte aber sieben Straßenbahnwagen abstellen. 2011 würden der Ast zum Sportzentrum ganz eingestellt und der Ast zur Jessener Straße und in der Bahnhofsstraße verschwinden. Man könnte auf fünf weitere Bahnen verzichten, bräuchte dann aber vier neue Busse. 2012 würden die Strecken nach Ströbitz und Sandow eingestellt, vier Bahnen ausgesondert und acht neue Busse angeschafft werden. 2013 würde dann Linie 4 von Sachsendorf nach Neu-Schmellwitz als letzte Straßenbahnroute ersetzt werden. 15 neue Busse würden die letzten zehn Straßenbahnwagen obsolet machen. Summa summarum hätten dann 17 neue Gelenk­busse und vier neue Standardbusse die heute noch 26 Straßenbahnwagen er­setzt. 

Der »Nullfall 2020«

Die drei Szenarien wurden mit dem Ist-Zustand des Jahres 2007 und dem so ­genan­n­ten Nullfall 2020 (also einem ­un­ver­än­derten Fortbestehen des heutigen Net­­zes) verglichen. ptv empfiehlt, in die­sem Fall dann auch die Linie 1 tagsüber wieder im 15-Minuten-Takt verkehren zu lassen. Die Gutachter erwarten dann maxi­mal notwen­dige Investitionen in Höhe von ca. 37,8 Mio. Euro für 19 neue Straßen­bahn­fahrzeuge und 7,14 Mio. Euro für Bus­neu­beschaf­fun­gen (zusammen also 44,94 Mio. Euro). Der jährliche Zuschussbedarf für die Betriebskosten im Jahr 2020 wird dabei für die Straßenbahn auf 4,43 Mio. Euro (heute 3,64 Mio.) und für den Busbetrieb auf 3,8 Mio. Euro (heute 2,76 Mio.) veranschlagt. Das Gut­achten berücksichtigt allerdings keine Ersatzinvestitionen in vorhandene Infra­struk­tur, und diese wurden vom Geschäfts­führer der Cottbusverkehr auf ca. 17,5 Mio. Euro beziffert.

Viele offene Fragen

Die Gutachter haben eine Bewertung der ÖPNV-Bedienungsqualität der genannten Szenarien vorgenommen und diese dem jährlichen Zuschussbedarf gegenüber gestellt. Die Bedienungsqualität wäre sowohl bei einem Beibehalten des Ist-Zustandes wie auch bei der Variante 2 mit nur noch einer Durchmesser- und einer Halbmes­serlinie »gut«. Als »sehr gut« bewertete ptv dagegen sowohl die reine Bus-Variante (Reduzierung des Zuschussbedarfs um 2,2 Mio. Euro jährlich) wie auch die Variante 1 mit drei Straßenbahnlinien. Leider sind aus der frei zugänglichen Variante des Gutachtens keine Grundlagen für die Kostenansätze erkennbar. Die Zah­len blei­ben damit nicht nachvollziehbar, teils erschei­nen sie sogar widersprüchlich: So findet man weder eine Erklärung zu den Fahr­zeug­inves­titionen noch eine Veri­fi­zie­rung des Zuschuss­bedarfs für den Busverkehr. Im »Nullfall« sollen diese angeblich niedriger sein, als wenn – ohne zusätz­li­chen Bedarf an Bussen – zwei Straßenbahn­abschnitte mit bedient werden sollen. Auch wird nicht erklärt, warum beim Beibehalten aller Straßenbahnlinien mehr Busse gekauft werden müssten als wenn ein Teil der Straßenbahnlinien durch Busverkehr ersetzt wird. Gar nicht enthalten sind in der Rechnung höhere Abnutzungen der Straßen durch Busverkehr und die kürzere Lebensdauer von Bussen gegenüber Straßen­bahn­fahrzeugen. Ebenso fehlt die Klarstellung, dass man bei der Umstellung auf Bus vor allem Geld aufwenden muss, um mit Steuer­gel­dern geschaffene Werte wieder zu besei­tigen, während bei Fortführung des Stra­ßen­­bahnverkehrs mit Steuergeldern neue Gegenwerte geschaffen würden. Fer­ner feh­­len Vergleiche zu anderen in etwa gleich­­großen Städten (in Gera z.B. wird die Straßenbahn kräftig ausgebaut). Was die Fördermittelrückzahlungen und Rückbaukosten betrifft, so werden diese in den Grafiken des Gutachtens zwar farblich veranschaulicht und es wird darauf hinge­wiesen, dass sie aus den Zuschussre­du­zie­rungen finanziert werden müssten. Doch im Fazit sucht man vergeblich nach einer klaren Schlussfolgerung. In den Gutachten für andere ostdeutsche Städte fand sich dazu meist die Formulierung, dass der Weiterbetrieb der Straßenbahn zumindest bis zu  einem »Tag X« unter dem Strich günstiger ist, weil erst dann die Investitionen (und Fördermittel) abgeschrieben sind.

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siehe Bildunterschrift
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