Neues aus Cottbus: Erhalten? Ja, aber wie?

Die Straßenbahn in Cottbus soll längerfristig erhalten bleiben. Hierüber besteht seit der aufgeregten Stilllegungsdiskussion 2009 Konsens unter den Lokalpolitikern. Von Bernhard Martin
 

Am 24. Juni 2009 stimmten im Cottbuser Stadtrat die Stadtverordneten der regierenden Koalition aus SPD, Linken und Grünen für den Verkehrsentwicklungsplan »ÖPNV 2020«, der für die Straßenbahn ein Netz aus »Drei starken Linien« und die Einstellung der ­Stre­cken­äste Bonnaskenplatz – Schmellwitz, Anger (bislang Linie 1) und Hauptbahnhof – Jessener Straße (bislang Linie 2) bis 2013 vorsah.
Gegen diese Pläne machte die Initiative »ProTramCottbus« mobil und präsentierte ihrerseits Vorschläge für den Ausbau des Straßenbahnnetzes unter Beibehaltung aller Bestandsstrecken. Unterstützt von der Cottbuser CDU startete das Aktionsbündnis am 15. Juli 2009 ein Bürgerbegehren mit dem Ziel, eine Machbarkeitsstudie für die vorgeschlagenen Neubaustrecken – insbesondere in Richtung Fachhochschule und Einkaufszentrum Lausitzpark, Spremberger Vorstadt und Carl-Thiem-Klinikum sowie zum Hauptcampus der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) – in Auftrag zu geben. Das Bürgerbegehren endete bemerkenswerter Weise zugleich mit einem Sieg und einer Niederlage der Initiatoren: Zwar konnten bis Mitte Dezember 2009 insgesamt 9.437 gültige Unterschriften – und damit deutlich mehr als die erforderlichen 8.500 – gesammelt werden, doch die Stadtverordnetenversammlung erklärte Ende ­Januar 2010 mit den Stimmen der amtierenden rot-rot-grünen Koalition das Bürger­begehren für rechtswidrig. »ProTramCottbus« sprach von einem »etwas eigenwilligen Rechts­gutachten« der Stadt und »an den Haaren herbeigezogenen Begründungen« und kündigte ­zunächst eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Cottbus an. Hiervon nahm die Initiative jedoch schnell wieder Abstand, weil der Ausgang eines solchen Prozesses völlig ungewiss gewesen wäre und durch seine Langwierigkeit keinen Einfluss auf die aktuelle Straßenbahndiskussion mehr gehabt hätte.

Nur ein Teilerfolg
Damit kommen wir zum überaus wichtigen Teilerfolg der Initiatoren des Bürgerbegehrens: Bereits im September 2009 hatte Oberbürgermeister Frank Szymanski die Hauptforderung von »ProTramCottbus« erfüllt und bei der »VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH« (VCDB) ein Gutachten über die Realisierbarkeit der drei genannten Neubaustrecken in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Ende April 2010 vorgestellt werden sollten. Daher auch der Rechtsmittelverzicht der Initiative nach der Abweisung des Bürgerbegehrens durch die Stadtversammlung.
VCDB konnte den vorgesehenen Zeitplan nicht einhalten und übergab sein Gutachten im Juni 2010 der Cottbuser Stadtspitze. Diese stellte die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie jedoch erst am 18. August der Öffentlichkeit vor.

Mögliche Neubaustrecken
Die Gutachter bescheinigen den beiden erstgenannten Ausbauprojekten im Süden und Westen der Stadt einen volkswirtschaftlichen Nutzen sofern das Land Brandenburg die Maßnahmen mit 70 Prozent bezuschusse. Die Anbindung des BTU-Hauptcampus fiel hingegen durch.
Das Gutachten von VCDB empfiehlt den Bau einer Neubaustrecke in der Spremberger Vorstadt inklusive Anbindung des Carl-Thiem-Klinikums. Vorzugsvariante ist hierbei eine große eingleisige, gegen den Uhrzeigersinn befahrene Häuserblockschleife, die die Bestandsstrecke der Straßenbahnlinie 2 in der Vetschauer Straße stadtauswärts bis zur Leipziger Straße weiternutzen und sodann über die Leipziger Straße und die Welzower Straße eine bessere Erschließung des Wohngebiets und den Anschluss des Krankenhauses ermöglichen würde. Nahe der Haltestelle »Friedrich-List-Straße« wäre dann wieder die Bestandsstrecke erreicht. Aufgegeben werden müsste lediglich der stadteinwärtige Straßenbahnverkehr in der Vetschauer Straße auf dem genannten Streckenabschnitt sowie das Reststück der Linie 2 zur Wendeschleife Jessener Straße (ca. 400 Meter).
Eine solche Neubaustrecke schlüge mit 6,3 Mio. € zu Buche. Mit ihrer Hilfe könnten Reinvestitionen in Höhe von 2,3 Mio.€ vermieden werden. Es müssten keine Fördermittel zurückgezahlt werden, da der aufzugebende Streckenabschnitt zur Wendeschleife Jessener Straße nicht mit solchen belastet ist. Es könnten ca. 800 neue Fahrgäste täglich für den ÖPNV gewonnen werden. Der Nutzen-Kosten-Quotient (NKQ) beträgt hervorragende 2,82. Besonders interessant ist das jährliche Einsparspotential (durch Anpassungen im Busbereich) bei den Betriebskosten in Höhe von 440.000 €. Dieses übersteigt deutlich den Rationalisierungseffekt im Falle einer Einstellung der Gesamtstrecke Hauptbahnhof – Jessener Straße, der sich auf 120.000 € pro Jahr belaufen würde.

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