Modernisierung á la Kalkutta: Alte Tram im neuen Kleid

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Insgesamt verkehrten Anfang 2010 aus den geschilderten Gründen nur acht Linien, nach der Wiederinbetriebnahme der Streckenabschnitte Nonapukur Workshops– Esplanade und Shyambazar – Belgatchiastieg deren Zahl aber bis April 2010 wiederauf vierzehn an. Damit ist aber immer noch knapp die Hälfte der früher 27 Linien außer Betrieb.

Sechsachser aus fünf Jahrzehnten

Der Wagenpark besteht nach wie vor ausschließlich aus sechsachsigen Triebwagen mit zwei in sich geschlossenen Wagenkästen, deren Kon- zeption aus den 1920er-Jahren stammt. Derartige Fahrzeuge wurden mit geringfügigen Veränderungen bis 1989 gebaut.

Merkmale dieses Typs sind die Einrichtungsbauweise, der nicht ver- glaste Führerstand, offene Einstiege ohne Verschlussmöglichkeit, das Zweiklassensystem (vorne 1. Klasse mit Ventilator und Sitze in Fahrt- richtung, hinten 2. Klasse mit Längssitzen),eigene Damenabteile (nächst der Wagenmitte), der Fahrschalter mit Kurbelbedienung (System »Dick Kerr«), die Druckluftbremse sowie der Rollenstromabnehmer.

Heute sind rund 270 Fahrzeuge der Baujahre 1943 bis 1989 vorhanden, von denen aber nur 120 regelmäßig gewartet werden. Auf dem derzeit befahrenen Rumpfnetz sind gar nur etwa 60–70 Wagen planmäßig im Einsatz.

Neubaukästen aus eigener Fertigung

Auch beim Wagenpark ist ein Wille zu Modernisierungen erkennbar, auch wenn diese auf einem sehr niedrigen Niveau erfolgen. Seit 2008 stattete die CTC (CalcuttaTramways Company Limited) in der betriebseigenen Hauptwerkstätte »Nonapukur Workshops« zehn Triebwagen mit komplett neuen Wagenkästen aus, die weiterhin ihre ursprünglichen Wagen- nummern besitzen.

Neuerungen sind die verglaste Fahrerkabine, Kunststoffsitze in Fahrt- richtung (Sitzanordnung 2 + 1) im gesamten Fahrzeug unter Auflassung des Zwei-Klassen-Systems (hier muss der 1.-Klasse-Fahrpreis entrichtet werden), einstatischer Umformer, eine Batterie zur Aufrechterhaltung der Funktion von Licht und Ventilatoren bei Stromausfall und zwei große Scheinwerfer. Ansonsten gab es allerdings in punkto Technik keinerlei Innovationen und auch die originalen Drehgestelle sind noch vorhanden.

Allerdings sehen nicht alle neu aufgebauten Wagen gleich aus und es gibt nicht weniger als vier verschiedene Gestaltungsvarianten:
  • Die Wagen 497 (gelb/rot),503 (weiß/blau/gelb), 506 (weiß/gelb/grün), 514 (rot/grün), 516 (weiß/blau/gelb) und 545 (weiß/gelb/grün) besitzen auf der  Gesamtlänge Fenster in den Dachrundungen.
  • Die Wagen 220 (beige) und 227(weiß/schwarz) verfügen über große und durch seitliches Verschieben zu öffnendeFenster. Wagen 605 (weiß/blau) hat kleine und schmale Fahrgastraumfenster und der zuletzt modernisierte Wagen 218 (gold mitZierstreifen) verfügt wiederum über Fenster in den Dachrundungen.

Die Tram als Touristenattraktion

Erhebt sich jedoch auch in der Frontgestaltung und generell durch rundere Formen stark von den anderen Fahrzeugen ab.

Die Arbeiten kosteten laut Zeitungsberichten umgerechnet rund 18.000 Euro pro Wagen und das Programm soll 2010 mit der Aufarbeitung von weiteren zehn Fahrzeugen fortgesetzt werden.

Bereits Mitte der 1990er-Jahre wurden einige Triebwagen mit verglasten Führerständen ausgerüstet, diese verkehren aber schon seit einiger Zeit wieder ohne Fensterscheiben und mit dem üblichen Gitter. Geblieben ist hier nur die teilweise umgestaltete Frontpartie. In jüngster Zeit macht sich übrigens auch die aufstrebende Tourismusbranche das schlechte Image der Straßenbahn zu nutze und transformiert die Begriffe »alt« und »unzeitgemäß« in ihren Werbebotschaften in »traditionsreich« und »einmalig«.

Tatsächlich benützen nun immer mehr Touristen aus dem eigenen Lande bei ihren Besichtigungstouren die Straßenbahn und zeigen sich von den alten und langsam dahin rumpelnden Wagen sichtlich begeistert.

Die ortskundigen Fahrgäste schätzen wiederum eine Fahrt in den modernisiertenTriebwagen, die von der Lokalpresse als »neuer Stolz« der CTC angepriesen werden. Von einem grundsätzlichen  Sinneswandel zu gunsten des Systems Straßenbahn kann aber freilich noch nicht gesprochen werden

...WOLFGANG KAISER

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siehe Bildunterschrift
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