Mirage und Muni-Tram

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Durch Wahl leichterer Materialen beim Bau konnte ferner gegenüber dem Prototypen eine Gewichtsreduzierung von über zwei Tonnen erreicht werden.

Erzwungener Alleingang

Von den ursprünglichen Vorstellungen einer Gemeinschaftsbestellung mit Basel musste Zürich Abstand nehmen; am Rhein scheiterte die Bewilligung eines Kredites zur Rollmaterial-Neubeschaffung am negativen Ausgang eines Volksentscheides. Leider gab es hier in den 1960er-Jahren Kreise, die massiv Stimmung gegen das Verkehrsmittel Straßenbahn machten! In Zürich sah dies zum Glück anders aus und der Verkehrsbetrieb »drohte« mit einem Großauftrag. Ende 1963 bestellten die VBZ bei der SIG zunächst 30 Triebwagen, wenig später wurde der Auftrag auf 60 Einheiten aufgestockt mit der Maßgabe, dass bei Verfügbarkeit der entsprechenden Gelder weitere Fahrzeuge kommen sollten. Mit der Abwicklung wäre die SIG alleine aufgrund ihrer begrenzten Fertigungskapazität in einem zeitlich vertretbaren Rahmen überfordert gewesen. Auch war es Wunsch der Zürcher, die ortsansässigen Firmen an dem Projekt zu beteiligen. So bildete sich für den Bau der Serienwagen eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der SIG, welche die Entwürfe besorgte und die Hälfte der Wagen baute. Die andere Hälfte entstand bei SWS in Schlieren. Die elektrische Ausrüstung einschließlich der Motoren und Kompres­soren stammte von der Maschinenfabrik Oer­likon (MFO), ausgenommen davon waren Dachwiderstände, Heizungs- und Lüftungsanlage sowie die Beleuchtung, für die Brown, Boveri in Baden (BBC) verantwortlich zeichnete. Die S.A. des Ateliers de Sécheron, Genf (SAAS) lieferte die elektrische Steuerung. Auch die Kupplung war ein inländisches Produkt und wurde von Georg Fischer, Schaffhausen (GF) geliefert. Die Druckluftbremse nach dem System Knorr entstand in Lizenz ebenfalls in der Schweiz und zwar bei Charmilles in Genf. Einzig der Stromabnehmer kam aus dem Ausland: Er stammte von Siemens in Wien. Die einarmige, platzsparende Bauform war im Hinblick auf den später möglichen Tunnelbetrieb gewählt worden. Aus diesem Grunde war die Wagenhöhe überhaupt reduziert und zusätzlich die Dachaufbauten bewusst niedrig gehalten worden. Nach dem Volksentscheid gegen die »Tiefbahn« im Jahre 1963 war dies aber vorerst nicht mehr relevant.

Wie ein startender Jet

Im Frühjahr 1966 begann die Auslieferung der Fahrzeuge der Bauart Be 4/6, die sich bis 1968 erstreckte. Sie erhielten die Nummern 1601-1690 zugeteilt. Die Fahrzeuge erwiesen sich für die Zürcher Einsatzverhältnisse als sehr brauchbar. Besonders im Traktionsbetrieb punkteten sie mit einem riesigen Angebot von über 320 Plätzen. Ihren Spitznamen »Mirage« erhielten sie aus zwei Gründen: Der beim Beschleunigen typische, wenn auch moderate Heulton klang einem (gedämpft) startenden Düsenflugzeug dieser Bauart nicht unähnlich. Vor allem aber wies der hohe Anschaffungspreis Parallelen zu diesem Militärflugzeug auf und nicht wenige Politiker waren der Ansicht, auch bei den Straßenbahnen habe sich die Industrie auf Kosten der Steuerzahler eine goldene Nase verdient. Tatsächlich waren ein Mirage-Triebwagen mit fast 750.000 Franken fast doppelt so teuer wie z.B. ein Sechsachser aus Düsseldorfer Produktion (damals etwa 415.000 Franken).

Zweiter Führerstand wurde selten genutzt

Es gab und gibt in Zürich stark belastete Straßenbahnlinien, auf denen die Gelenkwagen nahezu ständig in Traktion eingesetzt werden mussten mit der Folge, dass der Führerstand des zweiten Triebwagens nur äußerst selten benutzt wurde. Hier wurden also hohe Herstellungskosten unproduktiv spazieren gefahren. Bereits kurz nach Beginn der Auslieferung der ersten Serienfahrzeuge mussten sich die Verkehrsbetriebe auf politischen Druck hin mit der Frage beschäftigen, wie das Kostenniveau für gewünschte Nachlieferungen zu senken sei. Es war den Zürcher Politikern natürlich nicht verborgen geblieben, dass die gleiche Diskussion auch in Basel geführt wurde. Seitens der VBZ wurden verschiedene Möglichkeiten einer Kostenreduzierung geprüft, dazu zählten neben einer »abgespeckten« Version des Mirage auch die Anschaffung anderer Modelle, wie dem Schinder-Lenkachswagen oder dem Düwag-Sechsachser. Die Kosten für die Alternativen lagen teilweise bedeutend niedriger. Seitens der Verkehrsbetriebe wurde aber darauf hingewiesen, dass dies auch eine geringere Lebensdauer und höhere Wartungskosten zur Folge hätte. Für den Fahrgast wären die z.T. erheblichen Einbußen im Komfort deutlich spürbar geworden.

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siehe Bildunterschrift
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