Millionengrab unter der Kaiserstraße?

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2004 erhielt das Projekt einen Nutzen-Kosten-Faktor von nach oben gerundet 1,2. Bei Kostensteigerungen könnte möglicherweise das Nutzen-Kosten-Verhältnis unter 1,0 sinken. Damit ist zu befürchten, dass zumindest die Kostensteigerung, wenn nicht gar das gesamte Projekt, nicht mehr bezuschusst wird. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die Nutzen-Kosten-Rechnung geheim gehalten wird und weder Aufsichtsräte noch Gemeinderäte bis jetzt Einblick darin nehmen konnten.
Der Tunnelbetrieb wird etwa 15 Mio. € jährlich an Folgekosten mit sich bringen, die bei rein oberirdischem Betrieb nicht ­anfielen, wie Wartung und Strom für Fahrtreppen, Aufzüge, Klimatisierung, Reinigung, Überwachung, Rücklagen für Bauinstandhaltungen.
Auch über die Höhe der vorab zu ermittelnden Folgekosten gab es einige Differenzen, wurde doch von der Verwaltung allen Ernstes behauptet, der Tunnelbetrieb brächte 3,0 Mio. € jährlich an Ersparnis durch kürzere Wagenumlaufzeiten, was für die reinen Umlaufzeiten und den Fahrplan- wie Dienstplanwirkungsgrad wohl stimmen mag. Ist das ein Argument, 600 bis
700 Mio. € für ein fragwürdiges Tunnelprojekt auszugeben, um an den jährlichen Folgekosten von 15 Mio. € dann drei Millionen zu sparen?

Kapazitätsengpass Tunnel
Neben der unüberschaubaren Kostenentwicklung ist einer der Hauptkritikpunkte damals wie heute die geringe Durchlassfähigkeit des Tunnels. In Nürnberg bei vollautomatischen U-Bahnbetrieb auf absolut störungsfreier Trasse ist ein geringster Zugabstand von 100 Sekunden bei 900 Meter durchschnittlichem Haltestellenabstand möglich. Dabei haben die Fahrzeuge eine maximale Anfahrbeschleunigung von
1,3 m/sec2. Bei den Karlsruher Fahrzeugen liegt dagegen die maximale Anfahrbeschleunigung zwischen 0,85 und 1,0 m/sec2. Dazu kommt, dass in Karlsruhe der mittlere Stationsabstand nur 400 Meter beträgt.
Ein weiterer Schwachpunkt sind die ­Einstiegsverhältnisse der Fahrzeuge. Ursprünglich als Universalfahrzeug mit einer Fußbodenhöhe von 89 cm so konstruiert, dass sowohl vom Straßenniveau als auch von DB-Bahnsteigen einigermaßen bequem eingestiegen werden kann – doch ein rascher Tunnelbetrieb verlangt barrierefreie Einstie­ge, d. h. zum Fußbodenniveau passende Bahn­steighöhen. Im Tunnel soll es auf 80 Meter Länge 34 cm hohe und am Ende auf 15 Meter Länge 55 cm hohe Bahnsteige geben. Allein die 34 cm Bahnsteige bieten gemeinsam mit den Niederflurbahnen einen schnellen barrierefreien Fahrgastwechsel, während das bei den Mittelflurwagen nur bei 55 cm hohen Bahnsteigen möglich ist und bei den Hochflurwagen überhaupt nicht. Dementsprechend wird auch ein Haltestellenaufenthalt von 30 Sekunden angenommen. Von den rund 180 Hoch- und Mittelflurwagen sind 96 Fahrzeuge an die 30 Jahre alt. Im Sommer 2011 sollen 30 neue Flexity-Swift-Zweisystemwagen in Dienst gestellt werden, dennoch kann über einen längeren Zeitraum hinaus auf die Hochflur­fahrzeuge nicht verzichtet werden.
Wenn trotz Berücksichtigung der oben geschilderten Karlsruher Randbedingungen ein 100-Sekunden-Takt möglich wäre, ergäbe das pro Stunde 36 Züge im Tunnel, die restlichen 24 Züge führen in einem 150-Sekunden-Takt auf der Kriegsstraße. Die Tunnelzulaufstrecken vom Westen wie vom Osten her sind nicht niveaufrei und werden von rund zwölf Straßen- und Fußgängerüberwegen gekreuzt, so dass regelmäßig mit Behinderungen gerechnet werden muss. Diese kommen im Praxisbetrieb häufig vor.
So hatten die innerstädtischen Bahnen 2010 rund 30 schwere Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern außerhalb der Fußgängerzone und nur drei leichte »hausgemachte« innerhalb der Fußgängerzone.

Widerstand aus der ­Bevölkerung
Verschiedene Gruppierungen versuchten in einen »Karlsruher Bürgerapell« durch Unterschriftensammlungen den Gemeinderat dazu zu bewegen, die Entlastungsstraße für die Straßenbahn in der Kriegsstraße zu verwirklichen und den Strab-Tunnel nicht zu bauen. Hintergrund war auch, dass sich mit der Eröffnung von großen Einkaufszentren am Ettlinger Tor und am Mendelssohnplatz die Fahrgast- und Verkehrsströme verlagert haben, sodass heute die Kaiserstraße als Einkaufsstraße nicht mehr die alleinige Priorität geniesst.

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