Millionengrab unter der Kaiserstraße?

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Die von offizieller Seite vorläufig angegebenen Massen belaufen sich auf etwas über eine Million m3 Bodenaushub, 100.000 m3 Beton, Rückbau von 35 Kilometer störender Versorgungsleitungen, 32.000 Tonnen Stahl, 57.000 m2 Bohrpfahlwand, als Baubehelfe 25.000 m2 Spundwand und 6.000 m2 Schlitzwand. Diese Massen müssen alle durch die dicht befahrene Innenstadt transportiert werden. Nicht zu ­verges­sen ist der Energieaufwand für Herstellung, Förderung und Einbau der benötigten Baustoffe. Die gesamte Baustrecke liegt im Grundwasser, das bis etwa vier Meter unter der Geländeoberfläche ansteht und besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich macht.
Da vom Oberbürgermeister so vorgeschlagen und vom Gemeinderat beschlossen, ist zuerst der Tunnel unter Straßenbahnbetrieb zu bauen. Nach dessen Fertigstellung wird dann die Entlastungsstrecke in der Kriegsstraße hergestellt. ­Hintergedanke bei ­dieser gewählten Reihenfolge sind rein politische und nicht ­konstruktive Überlegungen, da die Verwaltungsspitze befürchtet, nach Inbetriebnahme der Entlastungsstrecke könnte sich die Untertunnelung der Kaiserstraße als überflüssig erweisen.
Das Bauen unter Betrieb hat für die Haltestellen die kostenaufwändige Halbdeckelbauweise zur Folge, d.h. die Haltestellen werden je hälftig errichtet, was das zweimalige Verschwenken von Gleisen, Weichen und Fahrleitungen bedingt. Insgesamt betrifft das rund 7.800 Meter Gleise und etwa ein Dutzend Weichen. Dazu kommen noch temporäre Bahnsteige und Signalanlagen. Zusätzlich wurde zwischen 2007 und 2009, außer in den zukünftigen Baugrubenbereichen der unterirdischen Haltestellen, die gesamte Gleisstrecke in der Kaiserstraße mit Fertigteil-Gleistragplatten erneuert, die in wenigen Jahren wieder entfernt werden sollen. Somit werden die Steuerzahler für Um- und Rückbaukosten zusätzlich mit rund zehn Mio. € belastet.

Derzeit 60-Sekunden-Takt
Die Betriebsbelastung wurde 2009 mit rund 1.150 Fahrten täglich angegeben. Mit Beginn des Baustellen-Umleitungsverkehrs am 7. Juni 2010 wurden sogar zusätzlich die Linien 2 und 6 im 10-Minuten-Takt durch den Engpass der mittleren Kaiserstraße geleitet, so dass sich die Zugfolge bis auf
60 Sekunden verringert hat. Nicht ohne Grund schrieb denn auch die Lokalzeitung von der »gelben Gefahr«, denn jetzt kommt es schon bei geringfügigen Störungen zu Pulkbildungen mit Kupplung-an-Kupp­lung-Fahren, bei denen ein Wechsel der Straßenseite für den Fußgänger fast unmöglich ist.  Damit dürfte Karlsruhe die mit Straßenbahnen am stärksten befahrene Fußgängerzone haben.
Ein weltweit im Tunnelspezialtiefbau agierender Baugroßkonzern führt die Tunnelrohbauarbeiten aus, die am 23. Februar 2010 für 297 Mio. € vergeben worden waren. Die Gesamtbausumme wird 2010 offiziell noch mit 402 Mio. € für den Tunnel einschliesslich der Gleise, Signalanlagen, etc. und der Umbau für die Kriegsstraße mit 186 Mio. € angegeben, insgesamt 588 Mio. €. Die veröffentlichten Gesamtbaukosten lagen 1996 einstmals bei 390 Millionen DM ( also rund 195 Mio. €), im Jahr des erneuten Bürgerentscheides 2002 bei 530 Mio. €, 2004 im Jahr des GVFG- Förderantrages bei 496,0 Mio. €, im Dezember 2008 bei 588 Mio. €, im Jahr der Kommunalwahl 2009 bei 615 Mio. € und am
18. März 2011 bei 637,6 Mio. €.
Kostenexplosion?
Wenn man bedenkt, dass der Tunnelrohbau etwa 60 Prozent der Gesamt­baukosten ausmacht, dürfte sich der reine Tunnelbau gut und gerne auf 500 Mio. € erhöhen. Zusammen mit den rund 200 Mio. € für den Umbau der Kriegsstrasse ergeben sich realistische Kosten von rund 700 Mio. €.
2002 betrug der Eigenanteil für die »Kombilösung« noch 79,5 Mio. € und ist durch die ständigen kalkulatorischen Kostenerhöhungen auf jetzt 195,6 Mio. € zuzüglich weiterer 33,4 Mio. € für die Deckung der Kreditzinsen gestiegen. Dieser städtische Eigenanteil muss bei einer derzeitigen Verschuldung der Stadt von über einer Milliarde Euro voll auf Pump fi­nanziert werden, also auch die Zins- und ­Zinseszinsen. Hinzu kommt, dass im Bewilligungsbescheid des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) vom 8. Dezember 2008 die bislang vorgesehene unterirdische Führung des Autoverkehrs für das Teilprojekt Kriegsstraße in Frage gestellt wird. Aber gerade die Aufhebung der Trennwirkung der Kriegsstraße durch den Autoverkehr war ja eines der Hauptargumente für die »Kombilösung«.

Mehrkosten auch im Betrieb

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