Man fährt elektrisch!

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Der Komfortzuwachs durch die neuen elektrischen Bahnen war so groß, dass innerhalb von fünf Jahren das Pferdebahnnetz vollständig ersetzt wurde. Schon 1905 gab es so viele Straßenbahnlinien, dass die bis dahin benutzten farbigen Markierungen der einzelnen Linien nicht mehr ausreichten und Liniennummern eingeführt wurden.

Am 13. Januar 1905 übernahmen Frankfurt und Offenbach anteilig die FOTG. Sofort wurde die Umspurung auf Normalspur und die Elektrifizierung mittels einfacher Oberleitung in Angriff genommen. In mehreren Etappen machte die »Knochemiehl« der neuen Straßenbahn Platz. Am 28. Oktober 1906 fuhr sie letztmals zwischen Oberrad und Offenbach. Im Jahr zuvor waren Liniennummern eingeführt worden und bis zur 15 vergeben. So erhielt die Nachfolgebahn der FOTG die Nummer 16 verliehen. Zur Geschichte der Straßenbahn zwischen Frankfurt und Offenbach gehört auch die Tatsache, dass diese 16 noch heute beide Städte verbindet. Kein Krieg, kein U-Bahn-Bau und keine Linienreform konnten der 16 etwas anhaben. Selbst wenn die Endstationen gelegentlich wechselten, stand – und steht – die 16 immer für die Verbindung beider Städte (siehe Kasten Seite 16).

Auf der neuen Linie 16 wurden nun Fahrzeuge beider Städte eingesetzt. Der größere Komfort erhielt allerdings schon bald zwei Dämpfer. Zunächst verweigerte die Preußisch-Hessische Staatsbahn die Querung ihrer Gleise in Nähe der Stadtgrenze durch Straßenbahnwagen, die mit Fahrgästen besetzt waren. Also mussten die Passagiere an der Schranke kurz vor der Stadtgrenze zu Fuß über die Bahngleise und auf der anderen Seite mit einem anderen Wagen die Fahrt fortsetzen. Dies änderte sich erst am 18. Dezember 1910, als die Eisenbahngleise auf den heute noch vorhandenen Damm hochgelegt wurden. Die Eisenbahn überquert die Straßenbahn seither über ein Viadukt.

Tarif-Probleme

Die zweite Einschränkung war tariflicher Art. Die Fahrscheine, die die FOTG ausgab, galten entweder auf einem Abschnitt von einer Endstation nach Oberrad oder auf der Gesamtstrecke. Die Stadtgrenze spielte hierbei keine Rolle. Bis 1920 wurden auch für die 16 noch Gemeinschaftsfahrscheine ausgegeben. Doch dann begann die lange Zeit der zwei Fahrscheine. Jeder Fahrgast, der die Stadtgrenze mit der 16 überquerte, musste einen neuen Fahrschein lösen. Das änderte sich auch nicht, als 1974 der Frankfurter Verkehrsverbund (FVV) eingerichtet wurde. Offenbach trat dem FVV nicht bei; die Fahrzeuge, die auf der 16 eingesetzt wurden, erhielten Entwerter der Offenbacher Stadtwerke.

Erst die Gründung des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), dem auch Offenbach beitrat, machte im Mai 1995 den Weg frei für einen Fahrschein zwischen beiden Städten. Doch schon ein Jahr später legte Offenbach seinen Teil der 16 still. Nun gab es zwar einen Fahrschein für die Fahrt zwischen beiden Städten, aber seitdem muss an der Stadtgrenze zwischen Bahn und Bus umgestiegen werden.

Was bleibt von der FOTG? Da sind zunächst die im Original vorhandenen Triebwagen 8 und Beiwagen 13, die man im Schwanheimer Straßenbahnmuseum bewundern kann. Diese Fahrzeuge gehören zu den ältesten existierenden originalen elektrischen Straßenbahnfahrzeugen der Welt.

Was bleibt noch? Dankbarkeit und Bewunderung für den Mut von Unternehmern, die sich auf das technische Wagnis einer elektrischen Bahn einließen, die ohne Vorbild war. Und die Strecke der FOTG ist nach wie vor zum großen Teil elektrisch betrieben. Alle zehn Minuten fährt heute eine 16 von Ginnheim zur Stadtgrenze nach Offenbach und hält die 125-jährige Tradition elektrischen Verkehrs aufrecht. Gibt es ein besseres Zeugnis für die Weitsicht, welche die Initiatoren einst an den Tag legten?

Alexander Piesenecker

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Fotos: 
siehe Bildunterschrift
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