Man fährt elektrisch!

Seiten


Die Höchstgeschwindigkeit der Bahnen lag bei 20 km/h. Die Behörden erlaubten zunächst nur maximal 9 km/h. Grund dafür war die Sorge, entgegenkommende Pferde könnten beim Anblick der pferdelosen Wagen scheuen. Auch fürchtete die Bevölkerung, die »hohe« Geschwindigkeit würde zu körperlichen oder seelischen Problemen führen. Wie fremd das neue Verkehrsmittel wirkte, zeigt auch der Bericht eines Zeitungsreporters: Er schrieb vom »eigenthümlichen Eindruck«, den der »gleichsam wie von geflügelten Geistern getriebene elektrische Eisenbahnzug« auf den Betrachter mache.

Probleme der neuen Technik

Bei der technischen Innovation blieb es nicht aus, dass Probleme den Fahrbetrieb behinderten. Das kleinste Übel bestand in Kontaktschlitten, die aus dem Schlitzrohr gefallen waren. Das Fahrpersonal hängte sie wieder ein, wozu jeder Wagen an der Seite eine Leiter mitführte. Ärgerlicher waren konstruktive Probleme, die zu teuren Reparaturen führten. So traten häufig Drahtbrüche am Motoranker auf, in den ersten fünf Wochen des Betriebs alleine verzeichnete man dies 34-mal!

Die mechanische Belastung der Wagen, gerade in abschüssigen Streckenabschnitten, führte manchmal zum Bruch von Zahnrädern oder den Laufrädern. Darüber hinaus traten Probleme mit den Kolben der Dampfmaschine auf; zeitweise musste die FOTG Lokomobile (transportable Dampfmaschinen) ausleihen, um genügend Strom zu erzeugen.

Schon wenige Tage nach Eröffnung der Gesamtstrecke im April 1884 musste die Bahn kurzfristig eingestellt werden, da Technik und Personal Unzulänglichkeiten zeigten. Hier rächte sich die nach Auffassung von Siemens & Halske übereilte Eröffnung der Bahn. Der Hersteller hatte für einen Eröffnungstermin im Mai plädiert, um mehr Zeit für Probefahrten zu haben, die FOTG aber auf eine rasche Inbetriebnahme gedrängt und sich damit durchgesetzt.

Die Fahrt mit der elektrischen Trambahn war recht rustikal. Die mangelhafte Federung und die direkte Kraftübertragung vom Motor über Zahnräder auf die Achse brachten den Zügen im Volksmund schon bald den Spitznamen »Knochemiehl« (Knochenmühle) ein. Obendrein kostete die Reise mit der elektrischen Trambahn mehr als mit anderen Verkehrsmitteln – sie war aber auch schneller und bequemer.

Die technischen Schwierigkeiten der FOTG in den ersten Jahren führten dazu, dass die Gesellschaft bis 1889 keine Gewinne einfuhr, obwohl sie seit Betriebsaufnahme konstant eine Million Fahrgäste pro Jahr hatte. In der Generalversammlung der FOTG von 1886 wurde sogar der Umbau zu einer dampfgetriebenen Bahn beantragt. Die Ablehnung dieses Ansinnens erfolgte wahrscheinlich nur deswegen, um einen weiteren Kursverfall der Aktie durch den technischen Rückschritt auf Dampfbetrieb zu vermeiden. Ungeachtet dessen ließ die elektrische Straßenbahn aufhorchen. Bald forderten die Bewohner der nordwestlich von Offenbach gelegenen Dörfer Bürgel und Rumpenheim eine Verlängerung der Bahn durch ihre Orte – was die FOTG mangels Finanzen nicht leisten konnte. Auch die technische Entwicklung im Nahverkehr ging an dem Unternehmen vorüber. Inzwischen waren der Bügelstromabnehmer und die Trolleystange erfunden, welche die Stromabnahme wesentlich vereinfachten.

Städtische Trambahn und die Linie 16

Die Stadtoberen in Frankfurt schmiedeten unterdessen eigene Pläne für den städtischen Nahverkehr. Mit Sorge sahen sie das entstandene Kaleidoskop der Betriebsformen – Pferdebahn, Dampfstraßenbahn, Elektrische – mit verschiedenen privaten, auf Gewinn ausgerichteten Gesellschaften.  Daher setzte die Stadt alles daran, den öffentlichen Nahverkehr in eigener Regie zu führen. Noch vor der Jahrhundertwende übernahm sie die in der Stadt agierenden Gesellschaften und konnte anschließend ­daran gehen, das Netz zu elektrifizieren. Vorbild war aber nicht mehr die Schlitzrohrbahn der FOTG, sondern die Stromabnahme über Lyrabügel, wie sie schon in einigen Städten problemlos zum Einsatz kam.

Die erste elektrische Straßenbahnverbindung wurde 1899 auf elf Kilometern Länge zwischen dem Palmengarten und Bornheim via Sachsenhausen eröffnet. Am Frankensteiner Platz konnte man jetzt die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der elektrischen Straßenbahn bewundern. Hier kreuzten die kleinen, langsamen, grünen meterspurigen Züge der FOTG die größeren, schnelleren, crèmefarbenen normalspurigen Fahrzeuge der städtischen Straßenbahn. In nur 15 Jahren war aus einer technischen Sensation ein nicht mehr zeitgemäßes Verkehrsmittel geworden.

Seiten

Fotos: 
siehe Bildunterschrift
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Der Mensch als Fehlerquelle?

"Ich war doch nur ganz kurz abgelenkt“, zitieren zahlreiche Unfallprotokolle in ganz Deutschland die Fahrer von Stadt- und... weiter

Freiburg vor dem Generationswechsel - Gnadenfrist für die letzten sechs GT8K bis 2017

Die VAG in Freiburg bekommt gerade sechs Niederflurwagen von CAF geliefert – trotzdem mustert sie die letzten sechs hochflurigen GT8K nicht aus. Sie m&... weiter

Wirklich sicher?

Hat er seinen Tod fahrlässig in Kaufgenommen? Noch immer ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft, wieso am Pfingstwochenende ein 20-Jähriger zwischen zwei als...

weiter

Das könnte Sie auch interessieren