Karlsruher Straßenbahn weiht neue Strecke ein

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Das Karlsruher Modell
In den 1960er-Jahren versuchten Verkehrsfachleute der Stadtverwaltung, der Tech­­nischen Universität und der ­Bundesbahndi­rektion eine für den Fahrgast attraktive Erschließung zwischen Hauptbahnhof, d.h. dem Umland und Innenstadt, zu finden.

Vor allem mit der aufkommenden Motorisierung gingen die Überlegungen auch dahin, die Straßenbahn vollständig durch ein flächiges Bussystem oder eine so genannte „Kompaktbahn“, also ein unterirdisches oder auf Stelzen geführtes Kabinenbahnsystem, zu ersetzen. Fast alle damals namhaften Verkehrsfachleute und Kommunalpolitiker sahen darin einen Weg zur autogerechten Stadt, um die störende Straßenbahn zu eliminieren.

Einen äußerst bemerkenswerten Vorschlag stellte 1982 im Heft Nr. 2 der „nahverkehrs-praxis“ Dr. Jung vor, der mit Hilfe einer „Stumpflinie“ die Karlsruher Innenstadt ab Mendelsohnplatz über Marktplatz bis Europaplatz (damals Hauptpost) im Tunnel mit der Eisenbahn erschließen wollte, mit einer Option diese Strecke nach Neureut und Hochstetten (heute S1/S11) zu verlängern.

Die Gleise der alten badischen Bahn reichten noch bis Mitte der 1990-er Jahre entlang der heutigen Ludwig-Ehrhard-Allee bis zum Mendelsohnplatz. Seit dem 8. September 2012 befährt nun die Linie 6 im Abschnitt der Ludwig-Erhard-Allee die ehemalige Eisenbahntrasse. Durch eine kurze Verbindungskurve zum Hauptbahnhof und zum Bahnhof Durlach sollte auf kurzem Weg die Innenstadt erschlossen werden.

In die Gegenwart übertragen müsste die seit Dezember 2003 zwischen Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe verkehrende „Rhein-Neckar-S-Bahn“ der DB nicht im Hauptbahnhof enden, sondern hätte gemeinsam mit den AVG-Stadtbahnlinien S31/32 die Karlsruher Innenstadt ab Bf Durlach in sechs bis acht Minuten Fahrzeit erreichen können, zukünftig wird es trotz Tunnel weiterhin bei 14 Minuten bleiben.

Alle Tunnelvarianten stießen der hohen Kosten wegen auf Ablehnung. Noch 1989 verwies Dr. Ludwig, der langjährige Geschäftsführer von AVG und VBK in einem Vortrag vor dem Wissenschaftlichen Verein für Verkehrswesen e.V. (WVV) am 23. Februar in Essen auf die Besonderheiten von Karlsruhe hin: „Die Straßenbahn in der badischen Metropole hat den Vorteil, nicht im Tunnel, sondern oberirdisch mitten in die Stadt bis vor die Kaufhäuser und Geschäftszentren zu fahren, was ihre Attraktivität beträchtlich erhöht.“

1979 entstand als Keimzelle des Karlsruher Modells die erste kombinierte Eisenbahn-„Straßenbahn“-Strecke durch die ­Mit­be­nut­zung des mit Gleichstrom elektrifizierten 2,0 km langen DB-Streckenstückes in Neureut, der 1967 im Personenverkehr stillgelegten Hardtbahn.

Durch die Entwicklung der Zweisystem-Fahrzeuge für 15.000/750 V war es möglich, bereits elektrifizierte Vollbahnstrecken, z.B. nach Pforzheim und Wörth, zu bedienen und einen durchgehenden Betrieb mit den S 31/32 Menzingen/Odenheim – Bruchsal – Karlsruhe aufzunehmen.

Mit der am 25. September 1992 eröffneten auf Stadtbahnbetrieb umgebauten DB-Strecke nach Bretten ergab sich in der Region ein regelrechter Selbstläufer für den Umbau weiterer Eisenbahnstrecken auf Stadtbahnbetrieb. Auch die bereits von 1922 bis 1955 in Etappen stillgelegte Karlsruher Lokalbahn fand ihre Wiederauferstehung als heutige Gleichstrom-„S 2“ von Mörsch nach Spöck.

Das Netz der AVG- Stadtbahnen dehnte sich von 1989 mit 100 Streckenkilometern bis 2010 auf 470 km Länge aus.

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