Inseltram in die Parkstadt: Münchens neue Linie

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Am 12. Dezember 2009 wurde die Tramlinie 23 feierlich eröffnet – einen Tag später begann der Planbetrieb. In den Wochen zuvor hatte die Vorarlberger Stahlbaufirma Bitschnau noch Tag und Nacht gearbeitet, um das Haltestellendach an der Münchner Freiheit unter wechselnden Witterungsbedingungen zeitgerecht zu installieren. Nur einige unentwegte Tramgegner versuchten, die Festansprachen mit Trillerpfeifen zu stören. Die acht Eröffnungszüge, darunter auch die beiden ersten neuen »Variobahnen« (Typ S) und der historische M4/m4-Großraumzug, wurden geradezu gestürmt. Nicht weniger als 27.000 Menschen erkundeten am ersten Tag die neue Linie. Obwohl das Siedlungswachstum jenseits der Haltestelle Anni-Albers-Straße hinter dem ursprünglichen Zeitplan nachhinkt, war auch die Besetzung der drei tagsüber im Zehn-Minuten-Takt fahrenden Kurszüge in den ersten Betriebswochen sehr erfreulich. In seiner Eröffnungsansprache verkündete MVG-Chef Herbert König, dass es wahrscheinlich nicht bei der Endstation Schwabing Nord bleiben wird. In Zusammenhang mit der für Ende 2011 geplanten Aufgabe der Bayernkaserne an der Heidemannstraße durch die Bundeswehr würde eine Fortführung in nördlicher Richtung angedacht. Im Gespräch sind Endpunkte mit U-Bahn-Anschluss am Hasenbergl (U2) und/oder Kieferngarten (U6). Bei erster Variante könnte ein Trassenstück der 1993 eingestellten Linie 13 wieder genutzt werden. Auch auf dem ersten Streckenabschnitt werden Neuentwicklungen in den nächsten Jahren für zusätzliche Nachfrage sorgen. So wird ein großräumiges Areal nordöstlich vom Parzivalplatz in den nächsten Jahren neu bebaut und verdichtet. Die neue Tram fährt in diesem Bereich über den bereits fertig gestellten Deckel einer künftigen Tiefgarage. Im Endstück Domagkstraße – Schwabing Nord werden Speditionen und Lager zugunsten einer Neubebauung mit Büros und Wohnungen aufgegeben; ein weiteres Großprojekt ist die nun mit Verspätung anstehende Neuentwicklung des Areals Funkkaserne. Hiervon war die ursprüngliche Projektbezeichnung »Kasernenlinie« abgeleitet worden. Inzwischen  spricht man aber nur noch von der »Parkstadttram«.

Architektonische Höhepunkte

An der Münchner Freiheit wendeten die Busse bislang an einem langweilig anmutenden Busbahnhof aus den 1970er-Jahren. Das Straßenbahnprojekt wurde für eine spektakuläre Neugestaltung genutzt: Ein auf 18 filigranen Stützen ruhendes, 400 Tonnen schweres Stahldach mit Lichtkuppeln überspannt die gesamte Haltestellenanlage und setzt einen städtebaulichen Akzent. Seine Höhe variiert zwischen 5,5 und 8,5 Metern. Sowohl die Kabel der Elektroinstallation wie auch die Regenwasserrohre sind in die Dachanlage integriert. Die Dachunterseite bildet einen Reflektorschirm für die indirekt strahlenden Leuchtkörper, die nach Anbruch der Dunkelheit für eine effektvolle Beleuchtung sorgen. Mit diesem Entwurf hatte das Aachener Büro OX2 Architekten den städtebaulichen Wettbewerb für sich entscheiden können.

Nicht weniger spektakulär ist die 84 Meter lange Tragseilbrücke über den Mittleren Ring zwischen den Haltestellen Münchner Tor und Anni-Albers-Straße. Erstmals verkehrt damit in Deutschland eine Straßenbahn über eine Hängebrücke! Ursprünglich nur als Fußgängerbrücke geplant, wurde das Bauwerk nach der Entscheidung für die Straßenbahntrasse umkonzipiert. Zu dem 4,5 m breiten Steg für Fußgänger und Radfahrer trat eine 7,40 m breite Trambrücke hinzu. Sechs Stahlseile mit je 100 mm Durchmesser und 10.000 kN Kraft tragen den Stahlüberbau. Planung und Gestaltung oblag den Münchner Büros Auer + Weber + Assoziierte und Mayr Ludescher Partner, umgesetzt wurde das Bauwerk vom Baureferat der Landeshauptstadt München.   

Martin Pabst

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