Hamburg: Stationen einer Stilllegung

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Wie in fast allen deutschen Städten hielt sich die tatsächliche Weiterentwicklung der Straßenbahn auch in Hamburg in engen Grenzen. Die einzige – gerade einmal 600 Meter lange – Neubaustrecke der Nazizeit wurde 1935 eröffnet.  Auch stand im Stadtteil Harburg eine Umstellung des Lokalverkehrs der Straßenbahn auf Obus an. Die Serienfertigung der Vierachsbaureihe V5 begann trotz Krieg, nachdem man lange und ausführlich mit den Reihen V2, V3 und V4 herum experimentiert hatte. Auch das war typisch in einer Zeit, in der es sich empfahl, konkrete verkehrspolitische Konzepte von »ganz oben« abzuwarten. 

Dennoch verfügte Hamburg im Jahre 1938 mit 217 Kilometer Länge nach Berlin, Wien und Düsseldorf über das viertgrößte Straßenbahnnetz im »Deutschen Reich« – selbstverständlich mit einem gepflegten Wagenpark, der damals das modernste umfasste, was auf deutschen Straßen­bahnschienen fuhr – neben Oldtimern aus den Gründungsjahren der Elektrischen. 

Überdimensionierte  Umbaupläne ...

Es war (und ist) ein typisches Kennzeichen der Hamburger Seele, dass man sich an­gesichts fehlender (Finanzierungs-)Mög­lichkeiten in der Gegenwart gern mit gro­ßen Plänen und der Suche nach zukünftig »optimalen Lösungen« für seine Stadt beschäftigte. Entsprechend großartig waren schon in den 1920er-Jahren manche Pläne für den Stadtausbau gewesen. Schließlich wollte man auch städtebaulich endlich eine Weltstadt sein.

Vielen schienen die überdimensionalen Pläne der Nazis für den Ausbau der Stadt da nahtlos anzuschließen. Im Verkehrsbereich stand der großzügige Ausbau der U- und S-Bahn (Systemumstellung auf Gleichstrom mit seitlicher Stromschiene!) sowie der Straßenbau im Vordergrund. Schon in jenen Jahren gab es in Deutschland eine klare Strömung gegen das Ver­kehrs­mittel Straßenbahn. Ein Schreiben der Hochbahn aus dem Jahr 1941 an die mit dem Stadtumbau beauftragte Stelle zeigt auf, dass in Hamburg der Straßenbahn langfristig eher eine Nebenrolle zugedacht war:

»Die künftige Entwicklung des innerstädtischen Verkehrs wird eine ständig anwachsende Inanspruchnahme der Straßenoberfläche durch den Kraftwagen und in größerem Umfang eine Verlagerung des Oberflächenverkehrs (Straßenbahn und Autobus) auf nichtstraßengebundene Schnel­lbahnlinien (U-Bahn) mit sich brin­gen. Aber auch bei großzügigstem Ausbau des Schnellbahnnetzes wird es nicht mög­lich sein, durch dieses alle Verkehrsbeziehungen restlos zu befriedigen. Eine sinnvolle Ergänzung durch leistungsfähige Oberflächenverkehrsmittel muss daher gefordert werden. Unter Berücksichtigung der besonderen Notwendigkeiten des Verkehrs, bedingt durch die heutige und zukünftige städtebauliche Gestaltung Hamburgs, wird dies auch für die Zukunft eine nach neuzeitlichen Gesichtspunkten gebaute und betriebene Straßenbahn sein müssen« (zitiert nach Hamburger Nahverkehrsnachrichten 2/98). 

In der Innenstadt sollte die Straßenbahn auf wenige Straßenzüge konzentriert werden – neben Mönckebergstraße und Steinstraße auf eine neue Ost-West Durchbruchstraße, den Wallring und eine Verbindungsstraße von Elbuferstraße über Rödingsmarkt zum Stephansplatz. Tatsächlich ist in diesem Zitat bereits der Ansatz vorgezeichnet, den die Hochbahn rund zwölf Jahre später vertrat: nur Schnellbahnen gehörte die Zukunft.

… bescheidener Wiederaufbau

Der Bombenkrieg bedeutete eine brutale Zäsur auch für die Straßenbahn. Ganze Stadtteile waren ausgelöscht, die kompakte Siedlungsstruktur dahin. Zehntausende Bürger siedelten sich gezwungenermaßen am Stadtrand an. Auf diesen langen Distanzen waren U- und S-Bahnen das schnellere Verkehrsmittel. Dagegen hatte die ­Straßenbahn viele von ihr bisher optimal erschlossene bevölkerungsreiche Verkehrsgebiete dauerhaft verloren. Notgedrungen galt bis in die 1960er-Jahre dem Wohnungsbau das politische Hauptaugenmerk. Gebaut wurde, wo Platz war – also vielfach auch weitab bestehender Straßenbahn- oder Schnellbahnlinien.

Die reine Not gebot 1945 zunächst die Wiederinstandsetzung des Straßenbahn­netzes, obwohl schon damals die Straßenbahngegner darin eine Geldverschwen­dung sahen. Weniger bekannt ist, dass die Lage bei den Staatsfinanzen auch damals bereits angespannt war und so auch enge Grenzen setzte.  

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