Hamburg: Stationen einer Stilllegung

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Entscheidender war die Tatsache, dass die SEG ein privatwirtschaftliches Unter­nehmen war, das nicht unbedingt auf der staatspolitischen Linie des Senats lag. Wie bei allen privaten Straßenbahnunter­neh­men verkehrten ihre Bahnen nur dort, wo die Nachfrage Gewinne versprach – und das war eben nicht unbedingt da, wo Hamburg Straßenbahnstrecken angelegt sehen wollte bzw. wo nicht! Das war ein wesentlicher Grund, warum viele deut­schen Städte ihre Straßenbahnen in dieser Zeit lieber in eigener Regie übernahmen. So beförderten die SEG-Linien nach Altona und Wandsbeck täglich Menschen zu ihren Wohnungen jenseits der Grenzen hanse­atischer Steuerhoheit.

Kleinkarierte Kirchturmpolitik

Eine U-Straßenbahn der SEG (die in dieser Konstellation sicher auch den Nachbarstädten genutzt hätte), erschien Hamburgs Politikern damals undenkbar. Und weil die SEG ihre U-Straßenbahn-Pläne auch noch mit der Forderung nach Verlängerung ihrer Konzession  und damit auch ihrer Eigenständigkeit verknüpft hatte (wie andernorts durchaus üblich), kam diese Lösung nicht in Frage. Schließlich setzte sich eine eigene Hochbahngesellschaft gegen die lange favorisierte Schwebebahn nach Wuppertaler Vorbild durch. Nur dass es später sinnvoll sein könnte, die eigene Bahn mit der Vorortbahn technisch wieder vereinigen zu können – daran dachte damals leider niemand. 

Die rein Hamburgische Hochbahn

Also schuf auch Hamburg durch die Anlage von Bahnlinien Tatsachen – Pannen inklusive. Die Zweiglinie nach Eimsbüttel wurde bewusst so trassiert, dass sie ge­nügend Abstand zur preußischen Staatsgrenze von Altona hielt, ja eine Verlän­gerung in diese Richtung unmöglich war. Die (1943 zerbombte) Zweiglinie nach Rothenburgsort ging dagegen am eigentlichen Verkehrsbedürfnis offensichtlich vorbei. Nur im Berufsverkehr war sie halbwegs ausgelastet. 

Zumindest das sozialpolitisch sicher gut gemeinte Projekt einer U-Bahnstrecke in das südlich der Elbe gelegene Hafengebiet (Stichwort: verbilligte Arbeiterfahrkarten und Umgehung der kostenpflichtigen Hafenfähren) konnte Hochbahnchef Wil­helm Stein noch verhindern. Sie wäre eine Investitionsruine geworden, weil sie nur zum Schichtwechsel benutzt worden wäre! 

Dann entdeckten die Stadtväter die Mög­lichkeit, die Hochbahn als »Ham­burgische Staatsbahn« mit langen Überlandlinien mitten in die hamburgische Pampa von Langenhorn und den sogenannten Walddörfern zu bauen. Mit dieser schnellen Verbindung konnte man diese Gebiete endlich besiedeln. Andere Weltstädte bauten in jener Zeit innerstädtische U-Bahntunnel und schon Zeitgenossen kritisierten, dass eine Überlandstraßenbahn wesentlich billiger geworden wäre. Immerhin schaffte Hamburg es mit der Walddörferbahn, auch auf eigenem Gebiet besser betuchte Bürger anzusiedeln. 

Städteverbindend

Ohne die Straßenbahn wäre das Wachstum von Altona, Hamburg, Harburg und Wands­­beck undenkbar gewesen. Doch diese Funktion war auf die U-Bahn übertragen worden. Damit begann unmerklich auch eine Änderung in der Wahrnehmung der Straßenbahn – so unverzichtbar sie im Stadtverkehr auch war. Innovativ und schnell – diese Attribute assoziierte man in einer Stadt mit immer längeren Wegen eben mit der U-Bahn.

Die Straßenbahngesellschaft SEG wurde 1918 mit der Hochbahngesellschaft fusio­niert. Nach Ende der Inflation begann die Vereinheitlichung des Wagenparks. 1928 wurde eine Serie moderner Vierachser-Züge (V2) beschafft, allerdings noch in Holzbauweise. Das ohnehin sehr große Netz erhielt weitere Ergänzungen. 

Damit einher ging eine neue verkehrspolitische Konzeption: Mit dem Bau der U-Bahn Kellinghusenstraße – Jungfernstieg sollte die U-Bahn nun als übergeordnetes Verkehrsmittel mit großen Haltestellenabständen die weiter draußen gelegenen Stadtteile schnell an die Innenstadt an­binden und in der inneren Stadt das dichte Straßenbahnnetz quasi als Expressverbindung überlagern (s. SM 4, 5/97). 

Groß-Hamburg-Perspektiven

»Mit einem Federstrich« (so die damalige Propaganda) wurde 1937 eine große Gebietsreform auf den Weg gebracht, an der sich ganze Politikergenerationen vorher die Zähne ausgebissen hatten. Das Stadtgebiet wuchs um 80 Prozent und nun waren die rein politisch trassierten Verkehrslinien natürlich hinderlich. Pragmatisch sollten Schnellstraßenbahnlinien die neuen »Stadt-Teile« miteinander verbinden – gebaut wurden sie freilich nicht. 

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