„Linien-Lasso“ im Westen

Essen: Neues Netz für neue Bahnen

Die EVAG muss große Teile ihres Netzes umstrukturieren, um auf möglichst vielen Strecken künftig Niederflurwagen einsetzen zu können. 27 neue NF2 werden dafür sorgen, dass die Essener ab Juni auf fast allen Linien neuen Komfort geboten bekommen.
 

In manchen Verkehrsbetrieben bricht fast Krisenstimmung aus, wenn außerplanmäßig einmal ein Hochflurfahrzeug im Liniendienst aushelfen muss. Die Fahrgäste sind schließlich Niederflurwagen gewohnt.

Die Essener können darüber nur schmunzeln! Hochflurige M-Wagen sind hier zu jeder Tageszeit selbst am Wochenende so normal wie die Gleise unter den Straßenbahnwagen. Allerdings nicht mehr lange! Auch in Essen geht es den Hochflurwagen langsam an den Kragen.

Im Juni stellt die Essener Verkehrs AG (EVAG) ihr Liniennetz um, damit künftig auf möglichst vielen Linien Niederflurwagen verkehren können.

Doch der Reihe nach – schauen wir uns erst einmal den Ist-Zustand an: Im Moment besteht das Essener Meterspurnetz aus den sieben Linien 101, 103, 104, 105, 106, 107 und 109.

Dort im Einsatz sind 34 dreigliedrige Niederflurwagen von DWA/Adtranz der Reihe 1501 bis 1534, die in den Jahren 1999 bis 2001 nach Essen geliefert worden sind.

Hinzu kommen etwa 50 M-Wagen der Baujahre 1979 bis 1992 und seit neuestem die NF2 von Bombardier Transportation, von denen Mitte März zehn im Linieneinsatz standen und 27 bestellt sind.

Die Südstrecke in Essen ist weiterhin der Knackpunkt

Das Problem: Im bisherigen Liniennetz können die Niederflurwagen nicht überall fahren. Der Knackpunkt ist die Südstrecke nach Bredeney. Dorthin verkehren aktuell noch die Linien 101 und 107 und für die benötigt die EVAG zwingend hochflurige M-Wagen mit Klapptrittstufen, die sowohl im Straßenplanum als auch an den 90 Zentimeter hohen Bahnsteigen der normalspurigen Stadtbahn einen Fahrgastwechsel ermöglichen.

Denn im Zuge der Südstrecke verkehren die Linien 101 und 107 zwischen Hauptbahnhof und Martinstraße für drei Stationen im Tunnel zusammen mit der U11; die nächste meterspurige Haltestelle, Florastraße, verfügt ebenfalls noch über Hochbahnsteige.

Niederflurwagen sind hier tabu – und werden es auch künftig bleiben.

Denn an der Situation in den Tunnelbahnhöfen ändert sich nichts. Die Bahnsteige können nicht kurzfristig teilweise abgesenkt werden, damit auch Niederflurwagen dort halten können.

Die Pläne liegen für gut 15 Jahre auf Eis. Eher könnte es sein, dass in ferner Zukunft die U11 auf diesem Streckenast zur Meterspurlinie wird. Schließlich nutzt sie bis zu ihrer Endstelle an der Messe nur eine kurze Stichstrecke, die sich vergleichsweise einfach umspuren ließe.

Dann könnten alle Bahnsteige abgesenkt werden und das System wäre auf diesem Abschnitt endlich vereinheitlicht. Ob es so kommt – ungewiss. Und falls ja, vergeht bis dahin viel Zeit.

Deshalb muss die EVAG jetzt handeln und strickt ihr Liniennetz wie folgt um: Die Linie 101 wird ab Juni von der Südstrecke genommen und verkehrt vom Germaniaplatz in Borbeck kommend wie gewohnt über Bergeborbeck zur Helenenstraße.

Von dort aus fährt sie im Uhrzeigersinn eine riesige Schleife über Essen Hauptbahnhof und Rüttenscheid wieder zur Helenenstraße.

Das „Linien-Lasso“ 101/106

Zwischen Hauptbahnhof und Helenenstraße ersetzt sie damit in dieser Fahrtrichtung die bisherige Linie 106. Diese wird im neuen Liniennetz an der Helenenstraße starten und die entgegengesetzte Schleife der Linie 101 fahren, also entgegen dem Uhrzeigersinn über Rüttenscheid zum Hauptbahnhof, von dort zur Helenenstraße und dann nach Borbeck.

Sie stellt also nichts weiter als die „Rückfahrt“ der Linie 101 dar. Die Linien 101/106 bilden damit ein „Lasso“ und können mit Niederflurwagen bestückt werden. Für die Linie 107 ist im Normalverkehr künftig am Essener Hauptbahnhof Schluss, also vor Beginn der Südstrecke.

So kann diese Linie bis Gelsenkirchen Hauptbahnhof ebenfalls mit Niederflurwagen bestückt werden. Davon ausgenommen sind die Verstärkerfahrten im Berufsverkehr.

Sie werden weiterhin in Bredeney starten und die Südstrecke nutzen, die Verstärkerfahrten enden aber wie heute auch schon am Abzweig Katernberg.

Neue Linie 108 nach Bredeney

Auf diesen Kursen werden weiterhin M-Wagen mit Klapptrittstufen nötig sein. Damit dreht die EVAG den Spieß praktisch um. Denn bisher verkehren die Zusatzfahrten auf der 107 zwischen Katernberg und Hauptbahnhof, also nicht über die Südstrecke bis Bredeney, weshalb ironischerweise auf den Zusatzfahrten Niederflurwagen verkehren können.

Bleibt die Frage: Welche Linie fährt künftig ganztägig über die Südstrecke? Dafür führt die EVAG die neue Linie 108 ein! Sie pendelt ab Juni zwischen Bredeney und Altenessen Bahnhof und übernimmt damit den Ast nach Altenessen von der Linie 106.

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Fotos: 
Christian Lücker
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