Ein Jugendzug für den Messeverkehr (Teil 1)

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In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre konnten viele Neubaustrecken in Betrieb genommen werden. So erhielt auch Gohlis II nördlich der Wagenhalle eine Gleisschleife, die am 1. November 1927 in Betrieb ging. Damit entfiel das lästige Umsetzen mittels Standtriebwagen in der Wagenhalle. Mehrere Jahre – in verschiedenen Zeitetappen – wurde der Hof allerdings nur zum Abstellen nicht mehr benötigter oder fahrunfähiger Wagen genutzt.

Der Zweite Weltkrieg

Als die alliierten Bomberverbände im Zweiten Weltkrieg immer öfter deutsche Städte ins Visier nahmen, verfügte die Betriebsleitung der LVB die dezentrale Abstellung von Straßenbahnwagen in den Nachtstunden. Somit sollten bei möglichen Bombentreffern auf einem Betriebshof die Schäden im Fuhrpark geringer gehalten werden. Wie weitsichtig diese Entscheidung war, zeigte sich am 4. Dezember 1943, als durch einen Volltreffer der Betriebshof Wittenberger Straße in Schutt und Asche gelegt wurde. Auch der Straßenbahnhof Gohlis I in der Möckernschen Straße hatte erhebliche Schäden abbekommen. Obwohl der Straßenbahnhof Gohlis II auf Grund seiner Lage – nur etwa 300 Meter vom Leipziger Eisenbahn–Güterring entfernt und in unmittelbarer Nachbarschaft zur König–Albert–Kaserne als »äußerst bombengefährdet« eingestuft wurde, blieb zum Jahresanfang 1944 der Betriebsleitung der LVB gar keine andere Wahl. Von da an wurden auch im Depot Gohlis II Züge der Linie 6 untergestellt.

Ironie der Geschichte:

Überraschender Weise gab es hier im Umfeld der Kaserne verhältnismäßig wenig Bombenschäden. Während die britischen Bomberverbände in den zahlreichen Bombenangriffen auf die Stadt Leipzig zwischen 1943 und 1945 manche Wohngebiete fast ausradierten, hatten sich die Amerikaner andere Bombenziele gesucht. Sie versuchten, die Rüstungsbetriebe in und um Leipzig zu liquidieren und dann zum Kriegsende hin die Leipziger Eisenbahnstrecken zu treffen und fahruntüchtig zu machen. Letzteres gelang dann tatsächlich im April 1945. Die Ausschaltung der Kasernen rund um Leipzig war für die Alliierten nicht interessant gewesen. Dem Betriebshof Gohlis II war dies im Endeffekt gut bekommen; er blieb völlig unversehrt.

Anders sah das im Vorort Gohlis aus. Hier lagen rund zwei Kilometer weiter südlich zwei Eisenbahnstrecken dicht nebeneinander. Beim Tagesangriff auf Leipzig am 20. Juli 1944 sollten sie sicherlich getroffen werden. Dicht daneben traf man nicht die Eisenbahnstrecken, dafür aber die Lindenthaler Straße, im unmittelbaren Anschluss zur Landsberger Straße, umso gründlicher. An einem der Bombentrichter ragten die aufgerissenen Schienen nach der Bombenexplosion fast bis zur Höhe der völlig zerrissenen Fahrleitung.

Mit den in Gohlis II stationierten Straßenbahntriebwagen wurde 1944 dann für mehrere Monate auf dem stadtwärtigen Gleis ein Pendelverkehr in beiden Richtungen eingerichtet. Man fuhr so unmittelbar beim Lothringer Platz (heute Coppiplatz) bis an die Bombentrichter heran. Auf der anderen Seite der Krater hatte man an der Magdeburger Straße für die Linie 6 eine Kletterweiche aufgelegt. Die Fahrgäste durften sich auf einem verbliebenen 1,5 m breiten Fußwegstreifen mit windiger Absperrung an den beiden Trichtern vorbeizwängen. Das war nicht ungefährlich.

Dafür durften sie beim Schaffner einen speziellen »Brückenfahrschein« lösen, um jeweils auf der anderen Seite kostenlos weiterbefördert zu werden.

Ein ähnlicher Pendelverkehr auf dem stadtwärtigen Gleis von Lindenthaler- und Landsberger Straße kam nach dem Bombenangriff am 27. Februar 1945 auf das untere Gohlis zustande. Er sollte bis zum 10. Juni 1945 notwendig bleiben. So wurde bis zur Halleschen Straße gefahren. In den Jahren ab 1946 standen auf den Hallengleisen 4 bis 6 fahrunfähige Wagen. Die Gleise 1 bis 3 waren tagsüber für die Abstellung eines Reservezuges nutzbar.

Die Linien 6 und 7 sollen nach Zeitzeugenberichten zeitweise wieder nur im Hof Gohlis I (in der Möckernschen Straße) stationiert gewesen sein, nachdem dort die Beseitigung der Bombenschäden dies wieder zuließ.

Die »Jugendzüge« vom Bahnhof »Rudi Opitz«

Im Jahr 1950 erhielt der Straßenbahnhof seine Selbständigkeit wieder. Nun gab es einen eigenen Betriebshofleiter sowie eigenes Verwaltungs- und Rangierpersonal. Am 1. Oktober feierte man die Wiederinbetriebnahme als »Jugendbahnhof  Rudi Opitz« – damals ein Novum bei den Verkehrsbetrieben in der ein Jahr zuvor gegründeten DDR. Um 1950 wurde damit begonnen, Objekte aller Art mit Namen von Kommunisten, Sozialdemokraten und auch von Widerstandskämpfern gegen die Nazidiktatur zu versehen.

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siehe Bildunterschrift
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