Ein Jugendzug für den Messeverkehr (Teil 1)

Dieser kleine Betriebshof im Leipziger Nordwesten, der zwischen seiner Inbetriebnahme 1910 und seinem Hallenabriss 2004 drei verschiedene Namen trug, bietet eine interessante und abwechslungsreiche Geschichte.

 
Wer heute vom Leipziger Hauptbahnhof kommend mit der Straßenbahnlinie 4 bis zum Endpunkt Gohlis/Landsberger Straße fährt, wird dort vergeblich einen Straßenbahnhof suchen. Vielleicht wird dem aufmerksamen Touristen die Schleifenanlage nebst Überholgleis etwas merkwürdig vorkommen. Schaut man etwas genauer hin, kann man noch Gleisreste vom ehemaligen Betriebshof entdecken. Auch lassen sich unschwer die noch stehenden Pfeiler der ehemaligen Betriebshofseinfahrt ausmachen. Dem von der Reise hungrigen Nahverkehrsfreund sei hier der Bratwurststand an der früheren Ausfahrt der Gleise 4 bis 6 empfohlen.

Die Vorgeschichte

Die beiden stark konkurrierenden Leipziger Straßenbahngesellschaften waren stets bemüht, kostengünstig und wirtschaftlich zu arbeiten. Hauptdepot der Leipziger Elektrischen Straßenbahn (LESt) – im Volksmund die »Rote« genannt – war der Betriebshof Wittenberger Straße. In diesem Hof wurden auch alle größeren Wartungsarbeiten durchgeführt. Um unnötige Betriebskosten für lange Aus- bzw. Einrückfahrten zu vermeiden, legte die »Rote« in vielen Stadtteilen kleinere »Übernachtungsdepots« an. So entstand als letztes von drei solchen Depots im Jahr 1909 das in »Gohlis Landsberger Straße«. Allerdings lag und liegt die Endstelle Gohlis/Landsberger Straße und damit auch der Betriebshof immer in der Gemarkung Möckern.

Im harten Ringen mit ihrem Konkurrenten GLSt hatte die LESt bei der Erschließung der Kasernen an der Heerstraße die Nase vorn gehabt. Es war 1898 durchaus mutig gewesen, etwa zwei Kilometer durch noch völlig unbebautes Gebiet zu fahren. In der schmalen, sich dahin schlängelnden Landsberger Straße war allerdings 1898 vorerst nur Platz für ein Gleis gewesen. Zwölf Jahre später entstand gegenüber der Kavalleriekaserne in der Landsberger Straße eine sechsgleisige Wagenhalle für bis zu 38 Wagen, die am 30. Oktober 1910 eröffnet wurde.

Zum Erreichen der Wagenhalle wurde entlang der Landsberger Straße von der Endstelle Heerstraße her eine eingleisige »Zufahrtsstrecke« angelegt. Es ist auch heute noch die letzte eingleisige Straßenbahntrasse in der Landsberger Straße. Die Wagenhalle war ein verputzter Ziegelbau mit hölzernem Dach. Am Ende der Halle befand sich auch ein winziger Werkstattraum, um kleinere Reparaturen erledigen zu können. Deshalb erhielten auch die Gleise 1, 2, 5 und 6 Arbeitsgruben. Ziel war es, die umständlichen und kostenintensiven Fahrten zum »Hauptdepot« wesentlich einzuschränken. Auch die LESt hatte seit 1896 dazugelernt.

Gohlis II: 1917 geschlossen...

Das Depot erhielt anfangs den Namen »Gohlis Landsberger Straße«. Links vor der Wagenhalle entstand ein zweigeschossiges Verwaltungsgebäude mit ausgebauter Dachgeschosswohnung für den jeweiligen Werkstattmeister. Im Erdgeschoss befand sich die Bahnhofsverwaltung.

15 Jahre lang lag der Endpunkt der Zufahrtsstrecke – und für noch zwei weitere Jahre die Endstelle der Linie 6 – in der Wagenhalle. Die ankommenden Züge mussten mittels Standtriebwagen umgesetzt und für die Rückfahrt vorbereitet werden. Nach Fusion mit der GLSt (im Volksmund die »Blaue«) am 31. Dezember 1916 wurde der Betriebshof Gohlis Landsberger Straße – im Gegensatz zum GLSt-Hof Gohlis Möckernsche Straße – als Gohlis II bezeichnet, um Verwechslungen auszuschließen. Auf Grund des im Kriegsjahr 1917 stark rückläufigen Verkehrsaufkommens und der Außerbetriebnahme vieler Teilstrecken wurde der Betriebshof zum Jahresende geschlossen.

...und 1925 wiedereröffnet

Als die GLSt die Linie 6 am 1. November 1925 zum Straßenbahnhof Gohlis/Landsberger Straße verlängerte, wurde auch das Depot Gohlis II wieder eröffnet. Nach Krieg und Inflation hatte sich 1925 die Wirtschaftslage stabilisiert. Die Verkehrsbetriebe konnten beginnen, ihren Wagenpark zu erneuern bzw. zu ergänzen. Allein in diesem Jahr stellte die Große Leipziger Straßenbahn 400 neue Fahrzeuge in Dienst. Dafür mussten schließlich Abstellkapazitäten bereitgestellt werden.

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