Die »Tranvia de Sóller« auf Mallorca

Seiten


Ein weiterer Meilenstein in punkto Leistungssteigerung und Effizienz war der Ersteinsatz eines vielfachgesteuerten Vierwagenzuges mit den Triebwagen 22 und 23 an den Zugenden und zwei zwischengereihten Vierachs-Beiwagen in der Sommer­saison 2006. Dank dieses – über 150 Fahrgäste fassenden – Zuges konnte die Straßenbahn nun die mit den Zügen des »Roten Blitzes« ankommenden Tagestouristen der Relation Palma – Sa Calobra problemlos aufnehmen; damit war es möglich, etliche Autobusfahrten zwischen Sóller und Port de Sóller einzusparen. Prompt machte sich die Innovation in der Leistungsstatistik bemerkbar, denn 2007 konnten erstmals in der 94-jährigen Geschichte der Straßenbahn über eine Million Fahrgäste befördert werden. Als einer der wenigen Straßenbahnbetriebe der Welt schreibt die »Tranvía de Sóller« nennenswerte Gewinne, was aber sicher auch an der binnen weniger Jahre vorgenommenen Preissteigerung um 100 Prozent (von zwei auf vier Euro pro Fahrt) liegt.

Vierwagenzug statt Autobus

Da seit der vergangenen Saison ein zweiter Vierwagenzug mit den Triebwagen 20 und 21 zur Verfügung steht, können nunmehr mit einem einzigen Konvoi (zwei Vierwagenzüge und ein Zweiwagenzug) sämtliche 350 Fahrgäste eines voll besetzten Touristenzuges aus Palma bzw. eines Ausflugsschiffes aus Sa Calobra weiterbefördert werden. Durch diese Funktion als wichtiges Bindeglied zwischen dem »Roten Blitz« und den Ausflugschiffen konnte einerseits die Straßenbahn ihre Fahrgastzahlen weiter erhöhen, andererseits ist der von April bis Oktober angebotene Tagesausflug von Palma nach Sa Calobra um eine Attraktion reicher. Die Vierwagenzüge fahren in der Regel von 10:30 Uhr bis 18:30 Uhr, wobei einer der beiden Züge um die Mittagszeit in der ansonsten nicht genützten Ausweiche nächst der Haltestelle Sa Torre eine längere Pause einlegt. Die ex-Lissaboner Triebwagen und die Neubau-Beiwagen präsentieren sich heute allesamt in den Hausfarben Braun und Orange, die Triebwagen erhielten in Anlehnung an die Gestaltung der Originalfahrzeuge unterhalb der Fenster eine Holzverkleidung. Diese Anpassungsarbeiten erfolgten in den Wintermonaten der Jahre 2005–09 in der betriebseigenen Werkstätte in Sóller. Im Zuge der Arbeiten wurden auch die für Lissabon typischen Zielschildkästen am Dach abmontiert. Die aus Bilbao übernommenen Fahrzeuge Nr. 4 und 7 befinden sich heute übrigens nicht mehr im Bestand der FS, denn sie wurden im Jahr 2000 an das baskische Eisenbahnmuseum in Azpeitia (75 Kilometer von Bilbao entfernt) abgegeben, wo der in Sóller zum Beiwagen umgebaute Triebwagen U-52 mittlerweile wieder in den Originalzustand zurückversetzt wurde.

Zusammenfassend betrachtet, konnte die »Tranvía de Sóller« in den vergangenen zehn Jahren ihren Wagenpark mehr als verdoppeln und ist nun problemlos in der Lage, den Fahrgastansturm auch in den Spitzenzeiten zu bewältigen. Diese Maßnahme wirkt sich nicht allein auf die Bilanz des Betriebes positiv aus. Mit der Verlagerung der Touristenströme von der Straße auf die Schiene und des Durchzugsverkehrs in das Hinterland (neuer Straßentunnel »Sa Mola«) wurde die Qualität des Urlaubsortes Port de Sóller insgesamt deutlich gesteigert.

Renaissance der Schiene

Neben den Touristenattraktionen »Roter Blitz« und »Tranvía de Sóller«, bei denen man Tradition und Flair aus der Gründerzeit hoch hält, gibt es auf Mallorca auch ein nicht elektrifiziertes Schienennetz. Es stellt leistungsfähige Verbindungen von der Hauptstadt Palma ins Hinterland her und wird in erster Linie von der einheimischen Bevölkerung benützt. Von dem einst großen Netz blieb nach 1980 nur die 28 Kilometer lange und seit 1931 zweigleisig ausgebaute Strecke von Palma nach Inca übrig. Jedoch wurde 2001 der 13 Kilometer lange Abschnitt Inca – Sa Pobla wiedereröffnet, seit 2003 fährt man sogar wieder bis Manacor. Die 25.000 Einwohner zählende Stadt im Osten der Insel liegt 28 Kilometer vom Abzweigbahnhof Enllaç entfernt. Das Netz der Gesellschaft SFM (»Serveis Ferroviaris de Mallorca«; Bestandteil des Verkehrsverbundes »tib – Transports de les Illes Balears«) könnte in den kommenden Jahren noch weiter wachsen; die Reaktivierung der Strecke Manacor – Arta (30 Kilometer) sowie der völlige Neubau der Strecke Sa Pobla – Alcudia (18 Kilometer) wurden von der balearischen Regierung bereits beschlossen. Probleme mit Grundeinlösungen und Anrainern könnten den Baubeginn in beiden Fällen aber noch nennenswert verzögern.

Seiten

Fotos: 
siehe Bildunterschrift
Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Der Mensch als Fehlerquelle?

"Ich war doch nur ganz kurz abgelenkt“, zitieren zahlreiche Unfallprotokolle in ganz Deutschland die Fahrer von Stadt- und... weiter

Freiburg vor dem Generationswechsel - Gnadenfrist für die letzten sechs GT8K bis 2017

Die VAG in Freiburg bekommt gerade sechs Niederflurwagen von CAF geliefert – trotzdem mustert sie die letzten sechs hochflurigen GT8K nicht aus. Sie m&... weiter

Wirklich sicher?

Hat er seinen Tod fahrlässig in Kaufgenommen? Noch immer ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft, wieso am Pfingstwochenende ein 20-Jähriger zwischen zwei als...

weiter

Das könnte Sie auch interessieren