Der Ärger mit den ­Hochbahnsteigen

Wo Hochflurstadtbahnen verkehren, sollten für einen barrierefreien Einstieg an den Haltestellen möglichst Hochbahnsteige vorhanden sein. Je nach Streckenlage stellt dies Städte und Betreiber aber vor große Probleme. Ein Überblick, Teil 1. Von P. Krammer

 
Als Kompromiss, mancherorts auch als (geplante) Übergangslösung, zwischen einer klassischen Straßenbahn und einer vollwertigen U-Bahn entstanden in Deutschland ab ­Mitte der 1960er-Jahre Stadtbahnsysteme. Heute werden aus dieser »Bewegung« stammend neun in sich abgeschlossene Stadtbahnnetze betrieben. Diese befinden sich ausschließlich in der westlichen Hälfte des Bundesgebiets mit einer starken Konzentration in Nordrhein-Westfalen (Köln/ Bonn, Düsseldorf/Duisburg, Essen/Mülheim, Bochum, Dortmund, Bielefeld), wo zeitweise entsprechende Planungsparameter von der Landespolitik vorgegeben wurden. Neben einem für derartige Systeme typischen Mix aus Tunnelstrecken in den Zentren, eigenem Gleiskörper in den Außenbereichen und straßenbündiger Streckenführung in Ausnahmefällen ist diesen deutschen Stadtbahnsystemen ein weiteres Charakteristikum gemeinsam: Alle besitzen (zumindest auf Teilnetzen) eine Infrastruktur, die auf den Betrieb von Hochflurfahrzeugen ausgelegt ist. Dies bedeutet auch die Ausstattung von Haltestellen mit Hochbahnsteigen (je nach Betrieb mit Bahnsteigkanten ca. 80 bis 95 cm über der Schienenoberkante (SOK)) und den Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen, die im Gegensatz zu klassischen Hochflur-Straßenbahnen keine festen Stufen an den Eingangstüren aufweisen. Da man aber – abgesehen vom Sonderfall Bochum – nicht damit rechnete, alle Haltestellen sofort mit Hochbahnsteigen ausstatten zu können, erhielten die neuen Stadtbahnfahrzeuge Klapptrittstufen, die nur beim Halt an niedrigen oder fehlenden Bahnsteigen ausgefahren werden.

Vorteile von ­Hochbahnsteigen

Mit dem Hochbahnsteigbau sind im Wesentlichen drei Vorteile verbunden: Durch den stufenlosen Weg vom Bahnsteig ins Fahrzeug kann erstens ein wesentlicher Beitrag zur barrierefreien Ausgestaltung des Nahverkehrssystems geleistet, zweitens eine Reduktion der Fahrgastwechselzeiten an Haltestellen erreicht und drittens bei linien- oder gar netzweiter Verfügbarkeit von Hochbahnsteigen auf die kostenintensive Bereitstellung und Instandhaltung von Klapptrittstufen verzichtet werden. Zuerst fast ausschließlich in Tunnelabschnitten verwendet, dehnten sich Hochbahnsteige auch auf den oberirdischen Abschnitten der Stadtbahnsysteme aus. Dort musste häufig lange Jahre ein Mischbetrieb aus Stadtbahn- und klassischen Straßenbahnfahrzeugen – mitunter auf unterschiedlicher Spurweite – abgewickelt werden, was Klapptrittstufen für die Bedienung ebenerdiger Haltestellen zwingend erforderte. So nützlich das Konzept von Hochbahnsteigen für die Barrierefreiheit auch gewesen sein mag, so sehr stellt es ein Hindernis für den barrierefreien Ausbau der Hal­testelleninfrastruktur dar. In nahezu ­allen Hochflurstadtbahnstädten ergaben bzw. ergeben sich daher hingegen mittlerweile Kontroversen um den Hochbahnsteigbau. Insbesondere dort, wo Hochflurstadtbahnen Strecken befahren, die oberirdisch und straßenbündig durch zentrale Bereiche mit engen Straßenquerschnitten führen, lösten und lösen die von vielen als ­klobig und hässlich empfundenen Hochbahnsteige erhebliche Widerstände aus. Manchmal sind sie schlichtweg aus Platzgründen auch nicht unterzubringen. Oft waren zu Beginn der Stadtbahnplanungen für solche Bereiche Tunnelbauten vorgesehen, die heute kaum mehr finanzierbar  sind. Nun hat sich inzwischen die Niederflurtechnik durchgesetzt, mit deren Hilfe moderne Straßenbahnen einen deutlich geringeren Höhenunterschied zwischen Straßenniveau und Fahrzeugboden per Bahnsteig zu überbrücken haben. Allerdings können Niederflurfahrzeuge aufgrund der Höhendifferenz von Fußboden- zu Bahnsteighöhe nicht an Hochbahnsteigen halten. Wollte man also ein Hochflurstadtbahnsystem für die Niederflurtechnik adaptieren, müssten bestehende Hochbahnsteige wieder entfernt werden, was aufgrund des meist hohen Aufwands bislang nur in Ausnahmefällen geschah.

Verschiedene ­Bahnsteig­­höhen in Frankfurt (M)

In Frankfurt/Main werden heute ein Niederflurstraßenbahn- und ein Hochflurstadtbahnnetz (in der Außendarstellung als U-Bahn bezeichnet) betrieben. Beide Systeme weisen im regulären Fahrgastverkehr keine gemeinsamen Strecken mehr auf. Der Stadtbahnbetrieb begann 1968 entlang der A-Strecke, der ältesten von heute drei Stadtbahnstammstrecken. Entgegen der B- und C-Strecke, deren Hochbahnsteige zunächst eine Höhe von 87 cm für den ebenerdigen Einstieg in die Stadtbahnwagen erhielten, entstanden entlang der A-Strecke (heutige Linien U1, U2, U3) nur 56 cm bzw. 32 cm hohe Bahnsteige. Die niedrige Bahnsteighöhe 56 cm war Voraussetzung für die anfangs noch durchgeführte Mitbenutzung der U-Bahnan­lagen mit umgebauten Straßenbahnaltfahrzeugen vom Typ Mt/mt.

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