Bremens Großraumwagen

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Die Fahrgäste wurden im September 1952 schon einmal vorab auf eine wesentliche Neuerung hingewiesen, die bald greifen sollte. »Der Schaffner kommt nicht mehr« titelte die Lokalpresse zur Vorbereitung auf gänzlich neue Abläufe im ÖPNV. Die Fahrgäste müssten nun an ihm vorbei defilieren, er würde sich nicht mehr mühsam durch das Gedränge schieben müssen. Als schließlich im Dezember 1952 die ersten beiden Großraumzüge in Bremen eintrafen, wurde schon an der schnittigen Form deutlich, dass ein neues Zeitalter anbrach. Einen Spitznamen sollte der Neuling in der Hansestadt auch bald bekommen: »Zigarre« ...

Zwei Züge auf Triumphfahrt

Bald nach Probefahrten und Schulungen stand am 24. Januar 1953 die offizielle Präsentationsfahrt auf dem Programm: Wilhelm Kaisen, Bremens damaliger Bürgermeister, gab persönlich das Startzeichen. Zuvor hatte er seiner Erwartung Ausdruck verliehen, die beiden Züge mögen »nicht ohne Nachwuchs« bleiben! Dann bewegte sich der Triumphzug vom Depot Gröpelingen in die Innenstadt. Die Anteilnahme der Bevölkerung kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Die Präsentation wurde ein Volksfest, gekrönt von dem Empfang auf dem Marktplatz. Bremens Mittelpunkt war schwarz vor Menschen, als sich die beiden Züge 801 und 802 aus der Obernstraße in die »gute Stube« der Stadt schoben. Jeder wollte sie sehen und möglichst – nachdem »Freie Fahrt für alle« signalisiert worden war – erleben, wie sich der neue Komfort anfühlte. Ein begleitender Uraltwagen – extra hinzugezogen, um den Unterschied zu verdeutlichen – konnte nur mit Mühe Schritt halten. Deutlicher ließ sich die »neue Zeit« nicht demonstrieren. Am Markt gab der Veteran, noch mit zwei halboffenen Beiwagen behängt, auf und wurde zur Seite genommen. Die Fahrt der beiden neuen Züge wurde zu einem Ereignis, das für Stunden die drängenden Probleme der Nachkriegszeit in den Hintergrund rücken ließ und Bremen einen ersten Hauch von Modernität im ÖPNV verlieh. Die Hansestadt befand sich unter den ersten Städten, die moderne Großraumwagen einsetzte! Dass die erste Serie nur aus fünf Zügen bestand, war aus späterer Sicht günstig. Denn schnell zeigten sich Probleme, die – ganz geklärt wurde es nie – vielleicht damit zusammenhingen, dass die Technik noch verbesserungswürdig war. Die drei weiteren Züge gelangten im Frühjahr 1953 in den Einsatz.

Kinderkrankheiten und die Folgen

Schon eine Woche nach der Präsentation der ersten beiden Züge kam es im planmäßigen Einsatz zu einem glücklicherweise glimpflich verlaufenden Zwischenfall, bei dem die Bremsen eines Zuges versagten. Der Stolz der Stadt wurde von einem Zweiachswagen in die Werkstatt geholt! Es blieb kein Einzelereignis – und die »Kinderkrankheiten«, die man heute mit Verständnis sieht, sorgten bei den Verantwortlichen der Stadt für Misstrauen und Verärgerung. Man hatte mit Problemen gerechnet und wusste, dass auch ein anderer Hersteller solche Vorkommnisse nicht hätte vermeiden können. Immerhin: Die Erfahrungen, die man aus den einsetzenden technischen Untersuchungen gewann, fanden Eingang in ein neues Lastenheft. Argwohn gegenüber dem ersten Hersteller blieb: Senator Wolters teilte im Mai 1953 den übrigen Senatoren lakonisch mit, die BSAG habe nun weitere Großraumzüge bestellt, wobei aus gutem Grund die bremische Industrie berücksichtigt worden sei. Es habe »nicht vertreten werden können, diesen Großauftrag an die Firma Linke und Hofmann in Salzgitter zu vergeben, weil die ersten von der Firma gelieferten Großraumwagen erhebliche Mängel hätten.« 

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siehe Bildunterschrift
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