Abschied einer U-Straßenbahn in Ludwigshafen

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Dass der Hauptbahnhof nicht schon in den sechziger Jahren dort gebaut worden war, hatte zwei Gründe: Erstens sollte eine für Fernverkehrszüge geeignete Großanlage entstehen und zweitens wünschte man sich die Anlagen in der erwähnten Dreiecksform, um ohne Richtungswechsel an Mannheim vorbei fahren zu können. Beide Argumente sind aus heutiger Sicht freilich vollkommen irrelevant. Damit stellt sich die Situation inzwischen so dar, dass der neue Bahnhof Ludwigshafen Mitte mit seinen lediglich zwei Bahnsteigen sehr gut angenommen und der vergleichsweise rie­sige Hauptbahnhof zum überdimen­sio­nierten und vernachlässigten S-Bahn-Halt im städtischen Niemandsland verkommt. Mit der Verlagerung der Um­stei­geströme zwischen Straßenbahn und Eisenbahn weg von der kalten Betontristesse am Hauptbahnhof hin zum vom Cityleben flan­kierten Verknüpfungsbahnhof Ludwigshafen Mitte verlor der C-Tunnel der Stra­ßenbahn einen ganz wesentlichen Teil seiner Existenzberechtigung.

Die Rolle der BASF

Neben der Anbindung des Hauptbahnhofs stellte der C-Tunnel auch eine gegenüber den innerstädtischen Oberflächenstrecken deutlich beschleunigte Verbindung aus den südlichen Stadtteilen oder eben vom Hauptbahnhof zum großen Arbeitgeber BASF im Norden von »LU« dar. Diese zweite Hauptfunktion hat sich jedoch in der jüngeren Vergangenheit relativiert. So waren im Herbst 2008 bei der »Badischen Anilin und Soda Fabrik Aktiengesellschaft« in Ludwigshafen rund 33.000 Mitarbeiter beschäftigt, vor zwanzig Jahren waren es dagegen noch 55.000. Auch diese Entwicklung führte zu spürbaren Fahrgastverlusten, vor allem im Berufsverkehr und dabei auch besonders bei den Fahrten durch den C-Tunnel. Zuletzt gab es an Werktagen planmäßig noch je zwei »BASF-Züge« der Rhein-Haardtbahn aus bzw. nach Bad Dürkheim, die den C-Tunnel über die Einfahrt Lorientallee (am Streckenknick zwischen Hauptbahnhof und Danziger Platz) mit benutzten.

Der Tunnel als »Opfer« einer paradoxen Netzstruktur

Die angeführten und nun für die Tunnelstilllegung ausschlaggebenden Gründe mögen seinerzeit nicht absehbar gewesen sein. Dennoch ist die Misere, die nun in der Stilllegung endet, hausgemacht. Die Planer und Entscheider von damals bescherten der Ludwigshafener Straßenbahn eine paradoxe Netzstruktur. Denn während fast alle Schienentunnel in den Zentren deut­scher Großstädte als Stammstreckentunnel konzipiert sind, in die mehrere Zweigstrecken aus den Vororten einmünden, ist es in Ludwigshafen genau umgekehrt.

Ein Stammstreckentunnel bündelt Ver­kehrsströme, schafft damit dank mehrerer sich überlagernder Linien ein attraktives Fahrtenangebot mit variablen Umsteigebeziehungen und sorgt für eine bessere Ausnutzung der teuren unterirdischen Infrastruktur. Selbst der Wegfall einer oder sogar mehrerer »fütternder« Außenstrecken aufgrund früher nicht absehbarer Entwicklungen wäre zu verkraften, ohne dass der Verkehrswert gleich auf ein frag­wür­diges Maß fällt. Der Ludwigshafener C-Tunnel wird aber auf beiden Seiten nur von je einer Außenrelation »gefüttert« (Oppau im Norden, Rheingönheim im Südwesten) und steht dabei auch noch in Konkurrenz mit der angebundenen Innenstadtstrecke über den Berliner Platz. Das Paradoxon ist somit perfekt: Man braucht auf den Außenstrecken zwei Linien, um im Zentrum auf beiden Routen eine zu haben – verdichtet werden muss also dort, wo potenziell weniger Fahrgäste sind.

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Fotos: 
M.Alex
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