Abschied einer U-Straßenbahn in Ludwigshafen

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Die Anlagen am neuen Hauptbahnhof und am Rathaus waren seinerzeit nur als erste Baustufe des Schnellbahnnetzes geplant. Möglichst bald sollte eine zweite Baustufe in Form einer Untertunnelung der Innenstadt folgen (mehr dazu in einer späteren Ausgabe). Daraus erklärt sich insbesondere die überaus provisorische Rampe am Rathaus. Bereits in den siebziger Jahren vereitelten Finanzierungsprobleme eine Umsetzung weiterer Pläne. Obwohl das Schnellbahnkonzept damit im Grunde als gescheitert galt, baute man in Ludwigshafen auch danach noch – in bescheidenerem Maßstab – weiter: Am 27. Februar 1983 konnte im Zuge der Strecke nach Oggersheim (– Bad Dürkheim/RHB) ein längerer kreuzungsfreier Neubauabschnitt eröffnet werden, welcher weitgehend über freies Feld führt und die ehemalige Strecke über die Fran­kenthaler Straße ersetzte. Teil dieser Maßnahme war die im offenen Einschnitt liegende schnellbahngerecht ausgebaute Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus. Selbst hier zeigen sich noch die Nachwehen der Schnellbahnplanung – man baute ein mittig liegendes stumpfes Wendegleis, welches wiederum aufgrund der eingesetzten Einrichtungswagen nie für den normalen Linienbetrieb benutzt werden konnte und später wieder verschwand. Ebenso fand eine im Umfeld der Station angedachte Sied­lungs­ent­wicklung weder im ge­wünschten großen noch im kleinen Stil statt. Aus diesen Gründen ist die Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus heute ein weiteres, wenn auch weniger bekanntes Beispiel der glücklosen Stadtbahnplanung in »LU«.

Lieber nach Mannheim als nach »LU«

Warum konnte die Schnellbahnkonzeption in Ludwigshafen als Ganzes so weit schei­tern, dass nun eine gerade einmal dreißig Jahre alte Tunnelstrecke komplett eingestellt wird? Die Antwort auf diese Frage ist weder trivial, noch lässt sie unmittelbare Rückschlüsse auf andere deutsche Stadtbahnstädte zu. Zur Totalaufgabe führten letztendlich eine ganze Reihe verschiedener Einflüsse im Spannungsfeld von Verkehrsplanung, Stadtplanung und Stadtentwicklung. Diese können teilweise sogar los­ge­löst voneinander betrachtet werden, trugen aber letztendlich alle zur Stilllegung bei.

Angefangen werden muss bei der Analyse natürlich bei der städtebaulichen Grundlagenkonzeption aus den sechziger Jahren. In Ludwigshafen sollte sich diesbezüglich insbesondere die erhoffte Vergrößerung der Innenstadt als Fehlein­schätzung erweisen. Seit der Gründerzeit war die Stadt von allen Seiten von der Eisenbahn umzingelt – man erwartete nun, durch die Verlegung des Hauptbahnhofs, diese Einzwängung durchbrechen zu können. Letztendlich entstanden aber mit den im selben Zeitraum gebauten Hochstraßen nur neue städtebauliche Barrieren, hinter die sich das Zentrum weiterhin nicht ausdehnen wollte. Gleichzeitig trugen die neuen Straßen viel weniger zur Attraktivitätssteigerung des Ludwigshafener Stadtkerns als vielmehr zum Abfluss der Kaufkraft in das direkt gegenüberliegende Mannheim bei. Die City dort bietet im Gastronomie- und Ladenbereich den größeren und – allgemein anerkannt – auch den weitaus attraktiveren Mix. Um den neuen Hauptbahnhof fand die Ausdehnung des Zentrums ebenfalls nicht im gewünschten und zum Zeitpunkt der Planung erwar­teten Maße statt. Mit der »Einkaufs- und Freizeitstadt« Mannheim konnte die »Arbeiterstadt LU« auch weiterhin nicht ernsthaft konkurrieren.

Ein Hauptbahnhof, den ­niemand (mehr) braucht

Ein weiterer Grund für die Einstellung des C-Tunnels ist die Entwicklung des Lud­wigshafener Hauptbahnhofs selbst, die wie die Entwicklung des Stadtkerns den Prognosen und Wünschen völlig entgegenlief. Mit der Einführung des InterCity-Systems der Bundesbahn im Jahre 1971 wurde Mannheim zum Systemknoten für den Eisenbahn-Fernverkehr. Folglich wurde der gesamte Personenverkehr im Rhein-Neckar-Raum mehr und mehr auf Mannheim ausgerichtet. Der Ludwigshafener Hauptbahnhof verschwand dagegen – zumindest für den Fernverkehr – in der Bedeutungslosigkeit. Hinsichtlich des Nahverkehrs krankte er an seiner innenstadtfernen Lage sowieso von Anfang an. Mit der Einführung der S-Bahn Rhein-Neckar wurde schließlich konsequenterweise noch einmal ein völlig neuer Bahnhof »Ludwigshafen Mitte« gebaut und im Jahre 2003 in Betrieb genommen. Dieser befindet sich an der aus Fahrgastsicht attraktivsten Stelle der Strecke zwischen den Hauptbahnhöfen von Mannheim und Ludwigshafen, nämlich direkt am Berliner Platz, dem zentralen ÖPNV-Knoten von »LU«!

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Fotos: 
M.Alex
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