125 Jahre Straßenbahnen in Heidelberg: Nicht totzukriegen

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Tram als Ergänzung?
Der Straßenbahn war zukünftig nur noch zugedacht, die beschränkte  Beförderungskapazität der Busse in Spitzenzeiten zu ergänzen, ein betriebswirtschaftlicher Nonsens. Der Nachfolger von Direktor Bergmaier, Dr. Brückner setzte sich notgedrungen wenigstens für ein Rumpfnetz ein und zeigte insofern Mut, weil er in der »Umstellung auf Busbetrieb keine Wunderwaffe gegen rote Zahlen« sah. Zum großen Rundumschlag kam es dann, als sich die Umlandgemeinden weigerten, die auf ihren Gemarkungen anfallenden Betriebskostendefizite auszugleichen.
Kurzerhand ließ OB Zundel die Außenstrecken nach Schwetzingen, Wiesloch und Kirchheim zwischen 1972 und 1974 kappen. Das Netz schrumpfte von 35,5 Kilometer auf 20,3 Kilometer. Ergebnis war auch, dass die erst zwölf Jahre alten Einrichtungsgelenkwagen für den Schwetzinger Ast nicht mehr verwendbar waren und nun für den Rumpfbetrieb 15 neue Zweirichtungsfahrzeuge beschafft werden mussten, die zu den letzten klassischen Düwag-Gelenkwagen gehören, die für deutsche Betriebe gebaut wurden.

Raus aus der Altstadt
Heiß diskutiert bis in die heutige Zeit ist die Stilllegung der etwa zwei Kilometer langen Straßenbahnstrecke durch die Hauptstraße der Altstadt zwischen Bismarckplatz und Karlstor Bahnhof. In einer umfassenden Analyse stellte 1971 der junge Dipl.-Kaufmann Fredrich nicht nur die Unzulänglichkeit der vorgelegten Expertisen dar, sondern kam auch zum Schluss, dass mit der Herausnahme der Straßenbahn aus der Altstadt der HSB großer Schaden durch Abwanderung der Fahrgäste entstehen würde. Er behielt leider Recht.
Doch alle Widerstände aus der Bevölkerung fochten den damaligen Gemeinderat mit OB Zundel an der Spitze nicht an. 1976 war dann die Stilllegung des am stärksten frequentierten Streckenabschnittes im ganzen Netz durchgesetzt.
Statt der veralteten Straßenbahn versprachen sich die Fachleute mit einer Kleinprofil-U- oder Magnetschwebebahn die Altstadt höchst modern zu erschließen, ein von Anfang an unrealistisches Unterfangen, weil der Baugrund eine solche Tunnelanlage oberflächennah unter der Stadt überhaupt nicht zulässt.

Einst eine Tramstadt
Jedenfalls stellte sich auch hier der »Erfolg« sehr schnell ein, in der Altstadt blieben        50 Prozent der Fahrgäste weg, weil diese das Geschaukel mit Bussen durch verwinkelte Altstadtgassen und mit zusätzlichem Umsteigen leid waren. Jetzt gab es nur noch 19,1 km Gleisstrecke. Bis etwa 1960 war Heidelberg eine echte »Straßenbahnstadt« gewesen mit rund 37 Millionen Fahrgästen pro Jahr, von denen nur 7 Prozent auf den Bus entfielen. Von zwölf Straßenbahnlinien fuhren fünf im 10-Minuten-Takt, die Außenlinien mindestens alle 20 Minuten. Durch Überlagerungen kam es auf den innerstädtischen Streckenabschnitten oft zu 2-3 Minuten Intervallen. Und das nicht nur in der Hauptverkehrszeit, sondern den ganzen Tag über bis in die Nachtstunden hinein.
Der Fahrzeugpark bestand zu jener Zeit etwa zu je einem Drittel aus Altbaufahrzeugen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der Zwischenkriegszeit und der Nachkriegszeit. Nachdem ab 1949 nur zweiachsige Fahrzeuge neu beschafft wurden, ­kamen 1960 die 13 sechsachsigen Einrichtungsgelenktriebwagen dazu.

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