Zwischenstopp beim Münster-Spatz

Vor knapp zwei Jahrzehnten besuchte ein Oldenburger Nahverkehrsfreund im Rahmen einer Tour durch Bayern auch die schwäbische Münsterstadt an der Donau. Aber weshalb verließ er den Ulmer Straßenbahnbetrieb mit zwiespältigen Gefühlen?
 

Drei Stunden für Ulm reichen völlig“, notierte der Straßenbahnfreund Stefan Hinder aus Oldenburg am 22. März 1994 in sein Reisetagebuch. Er besuchte damals die vier bayerischen Betriebe und legte dabei einen Zwischenstopp in Ulm ein. Aber wie erlebte er damals den württembergischen Straßenbahnbetrieb an der Grenze zu Bayern?

Er erinnert sich: Am Dienstag, dem 22. März 1994, standen Würzburg, Ulm und abends Stadtbergen bei Augsburg auf meinem Programm. Um das zu schaffen, hieß es gegen Mittag von Würzburg Abschied zu nehmen. Der Straßenbahnbetrieb in Ulm bestand damals nur aus einer einzigen, lediglich 5,6 Kilometer langen Straßenbahnlinie mit dem Verlauf Söflingen – Donauhalle.

Abfahrt an der Donauhalle

Ich stellte mein Auto an der Endstelle Donauhalle ab und wollte von dort aus mit der Straßenbahn einmal bis Söflingen durchfahren. Die Zeit reichte locker, um alles Sehenswerte zu sehen und zu fotografieren.

Dabei kam mir die dichte Wagenfolge im Ulm entgegen: Alle sechs Minuten kam nachmittags eine Bahn. Dafür waren elf Triebwagen unterwegs. Die daraus zu errechnende Umlaufzeit von 66 Minuten war angesichts der Kürze der Strecke enorm und ein Grund, warum der Betrieb auf mich einen zwiespältigen Eindruck hinterließ.

Akut stilllegungsbedroht – wie in den 1970er-Jahren – war die Straßenbahn in Ulm nicht mehr. Man hatte einige zaghafte Schritte zur Modernisierung unternommen: Aus Stuttgart wurden zwischen 1985 und 1990 14 Gelenkwagen vom Typ GT4 gekauft, die freilich kaum jünger waren als die zuvor eingesetzten Großraumwagen von 1958.

Nach und nach hatte man die Wagen äußerlich und im Innenraum etwas modernisiert. Dennoch konnte dies natürlich nur eine Übergangslösung sein, zumal auch die Gleise an vielen Stellen erneuerungsbedürftig wirkten.

1994 hatte Ulm noch große Pläne...

Ein Grund für diese Zurückhaltung in Investitionen dürfte gewesen sein, dass gerade Anfang der 1990er-Jahre in Ulm Pläne zur Schaffung eines Regionalstadtbahnsystems nach Karlsruher Vorbild bestanden.

Dieses sollte aus fünf Linien unter Einbeziehung der vorhandenen Straßenbahnlinie bestehen. Dies hätte eine Umspurung von Meter- auf Regelspur notwendig gemacht.

Zweifellos war es unter diesen Umständen damals nicht opportun, allzu viel Geld in die Sanierung der Meterspur zu stecken. „Man bemüht sich, aber viele Schwachstellen (Autoverkehr, Gleiszustand)“, lautete eine weitere Bemerkung zur Ulmer Straßenbahn in meinem Reisetagebuch.

Und 20 Jahre danach?

Heute präsentieren sich alle fünf im März 1994 besuchte Betriebe in völlig anderem Gewand. Keinen von ihnen habe ich seit diesen Tagen im Frühjahr 1994 wieder besucht.

Geblieben sind unwiederbringliche Eindrücke, zahlreiche Fotos – und die Freude darüber, die Münchener Dreiachser, die Augsburger Fünfachser und die unverwechselbaren Nürnberger Vier- und Sechsachser gerade noch rechtzeitig erlebt zu haben.

Ulm ersetzte im Jahre 2003 die GT4 durch acht Niederflurwagen vom Typ „Combino“. Zwei weitere kamen für die 2009 eröffnete Streckenverlängerung von der Donauhalle nach Böfingen hinzu, durch die sich die Länge der Straßenbahnlinie fast verdoppelte. Von 5,6 auf 10,2 Kilometer.

Der Bau einer völlig neuen Straßenbahnlinie 2 vom Wissenschaftspark am Kuhberg gilt als gesichert und dürfte in diesem Jahr beginnen.

Fotos und Text: STEFAN HINDER. Aritkel aus dem STRASSENBAHN MAGAZIN 02/2015.
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