Zwei Schritte vor, drei zurück?

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Die Tabelle auf Seite 17 gibt einen Überblick über die einzelnen Straßenbahnprojekte. Daneben stellte die Landesregierung ca. 300 Mio. DM für kleinere ÖPNV-Projekte, insbesondere Beschleunigungsmaßnahmen, in Aussicht.

Neue Trams in Aachen, Hamm und Paderborn

In die höchste Förderstufe schaffte es nur ein Tunnelprojekt: die Kölner Nord-Süd-Stadtbahn, deren Nutzen unter Fachleuten unstrittig ist und zu der es wohl keine sinnvolle oberirdische Alternative gibt. Gefördert werden sollten aber primär eine Vielzahl oberirdischer Neubaustrecken sowie die Wiedereinführung der Straßenbahn in Aachen, Hamm und Paderborn. Bei den bestehenden Straßenbahnnetzen sollten in der Stufe 1 vordringlich Vorhaben in Bielefeld (hier wäre das Bestandsnetz mittels 27,1 Kilometer Neubaustrecke nahezu verdoppelt worden!), Bochum, Bonn und Düsseldorf gefördert werden. Tunnelträumer wie Duisburg, das nur die Verlängerung des damals im Bau befindlichen Meidericher Stadtbahntunnels bis zum Landschaftspark Nord zur Förderung eingereicht hatte, erhielten die gelbe Karte und durften erst – wenn überhaupt – ab 2015 mit Fördermitteln vom Land rechnen. Nordrhein-Westfalen war also auf dem besten Weg, Anschluss an die verkehrspolitische Wirklichkeit zu finden und den Nachholbedarf an oberirdischen Straßenbahnneubaustrecken abzuarbeiten. Bei genauerem Hinsehen fiel jedoch auf, dass in die Kategorie »weiterer Bedarf« verschiedene Tunnelprojekte in Bochum, Düsseldorf und Duisburg aufgenommen worden waren.

Rollback nach der ­Kommunalwahl 1999

Die Kommunalwahlen vom 12. September 1999 brachten eine Vielzahl böser Über­raschungen: Die Unzufriedenheit der Bürger mit der neuen rot-grünen Bundesregierung entlud sich an den nordrhrein-westfälischen Wahlurnen in einem politischen Erdbeben: Erstmals seit Jahrzehnten wurde die CDU landesweit stärkste politische Kraft, SPD-Hochburgen wie Essen, Bochum oder Gelsenkirchen fielen reihenweise an die Christdemokraten. In Aachen und Paderborn, wo sich die beiden großen Volksparteien seit jeher ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, gelangen der CDU 1999 eindeutige Wahlsiege. Die verkehrspolitischen Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Die Christdemokraten nutzten ihre neuen Ratsmehrheiten fast überall zur Annullierung der bestehenden Pläne zum Straßenbahnausbau. Da passte es gut ins Bild, dass mehrere neu gewählte christdemokratische Oberbürgermeister sich – vorschriftswidrig – mit dem Dienstwagen zum nächsten CDU-Landespar­teitag im Dezember 1999 kutschieren ließen … Die verkehrspolitischen Entscheidungen in den verschiedenen Kommunen im Überblick: In Aachen bedeutete der Wahlsieg der CDU das Aus für die weit gereiften Pläne zur Wiedereinführung der Straßenbahn. Zur Verbesserung des ÖPNVs in der Kaiserstadt wurde stattdessen der Einsatz von Doppelgelenkbussen vorgeschlagen (seit September 2005 auf der Linie 5/45 praktiziert). Das Euregiobahn-Projekt, das auch eine straßenbahnähnliche Verlängerung von Würselen zum Bushof in der Aachener Innenstadt vorsieht, wurde hingegen von der CDU gutgeheißen. Wann allerdings diese BOStrab-Strecke realisiert werden wird, ist gegenwärtig nicht abzusehen.

Keine neuen Trams

Auch in Hamm und Paderborn wurden die Pläne zur Wiedereinführung der Straßenbahn nach den Wahlerfolgen der CDU beerdigt. Ebenso wurden in Wuppertal nach dem Kommunalwahlsieg der Konservativen endgültig die – allerdings vagen – Gedankenspiele zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken und deren Benutzung durch Stadtbahnwagen wieder zu Grabe getragen.

Kein Ausbau in Bielefeld und Bonn

In Bielefeld wurde zwar im Jahre 2000 die vierte Stadtbahnlinie zur Universität (ab 2003 bis zum Lohmannshof verlängert) in Betrieb genommen, die neue schwarz-gelbe Ratsmehrheit verwarf jedoch – mit Ausnahme der Verlängerung der Linie 3 von Stieghorst nach Hillegossen – alle Neubaustreckenprojekte für die Meterspurstadtbahn. In Bonn war die geplante Neubaustrecke auf den Hardtberg der parteipolitische Zankapfel. Zwar befürwortete auch die neue schwarz-gelbe Ratsmehrheit grundsätzlich dieses Projekt, im Gegensatz zur bisherigen rot-grünen Koalition, die eine weitgehend oberirdische Streckenführung beschlossen hatte, favorisierte sie jedoch einen längeren Tunnelabschnitt für die Hardtbergbahn. Außerdem strebte sie die Verbannung der Straßenbahnlinien 61 und 62 vom Bahnhofsvorplatz in den bestehenden Stadtbahntunnel, den Bau einer neuen Rampe zum Anschluss der Dottendorfer Strecke an das Tunnelnetz sowie die Verlängerung der vorhandenen Tunnelstrecke bis zum Rheinufer am Berta-von-Suttner-Platz an. Finanzierungsprobleme führten schließlich dazu, dass auch die neuen Pläne und damit das gesamte Projekt Hardtbergbahn auf Eis gelegt wurden.

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