Schnellstraßenbahn an Schloss und See

Nach den schlechten ­Er­fah­run­gen mit der 1881 ­­er­öffneten Pferdebahn unternahm die Stadt Schwerin den zweiten Anlauf in Eigenregie. 1908 fuhr die erste ­ Elek­­trische, und heute ist Schwerin eine der Städte, die auf ­stadtbahnmäßig ausgebauten ­Strecken 100-Prozent-­Nie­der­flur anbieten.

 
Im Schweriner Nahverkehr gab es in den letzten Jahren zwei Jubiläen zu feiern: 2006 jährte sich die Eröffnung der Pferdebahn zum 125. Mal. 2008 wird die elektrische Straßenbahn 100 Jahre alt. Wäh­rend ersteres jedoch nicht gefeiert wurde, veranstaltete die Nahverkehr Schwe­rin GmbH (NVS) am 30. August 2008 einen Tag der offenen Tür im Betriebshof Haselholz, ihre Home­page, ihr Infor­mationsmaterial und die Wagenfronten schmückte das Logo »e­lek­­trisch 100 Jahre durch Schwerin i. Meckl.«. Der historische Tatra-Triebwagen 417, der vorletzte in die DDR gelieferte T3D, wurde seit Anfang Februar 2008 betriebsfähig aufgearbeitet. Der Grund für die ungleiche Behandlung der beiden Jubiläen liegt in der Straßenbahngeschichte der heutigen mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt: Während die Pferdebahn ein Flop war und nach nur 49 1⁄2 Monaten den Betrieb wieder einstellen musste, konnte sich die Elektrische in Schwerin erfolgreich etablieren und blickt heute einer gesicherten Zukunft entgegen. Stadt- und ­

Eisenbahngeschichte

Schwerin, 1018 als wendische Burg erstmalig erwähnt, im Mittelalter Sitz einer gleichnamigen Grafschaft und eines katholischen Bistums, wurde 1538 Hauptstadt des Herzogtums Mecklenburg. Im 19. Jh. war es eine konservative Residenz- und Beamtenstadt, die kein Interesse an der Industrialisierung oder eines Einwohnerzuzugs zeigte.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Eisenbahnstrecken an der Ostseeküste gebaut wurden, wurde Schwerin nur peri­pher von den neuen Schienensträngen tangiert. Die 1869 eröffnete Hauptstrecke Hamburg – Stettin berührte nur den Nor­den der mecklenburgischen Landeshauptstadt. Auch die Stichbahn nach Hagenow hatte für Schwerin nur geringe Bedeutung.

Pferdebahn

Trotz dieser Randlage zeigte man kein Interesse an der Einrichtung öffentlicher Verkehrsmittel. So ging die Initiative zum Bau einer Pferdebahn auch von der Nachbarstadt Rostock aus: 1878 wurde dort die Mecklenburgische Straßen-Eisenbahn Akti­en-Gesellschaft (MSEAG) gegründet, die sogleich auch dem Schweriner Magistrat den Bau einer Pferdebahn vorschlug. Am 10. September 1881 wurde der Bahnbau genehmigt und drei Tage später erteilte der Bürgerausschuss seine Zustimmung. Am 5.November 1881 nahm die erste Linie (Farbe: grün) der Schweriner Pferdebahn ihren Betrieb auf. Die in der Rostocker ­Spurweite von 1.440 mm angelegte zwei Kilometer lange Strecke führte vom Wis­mar­schen Thor (heute Bürgermeister Bade-Platz) über die Wismarsche Straße und den Marienplatz zum Strempelplatz (heute Platz der Jugend). Am 16. November 1881 folgte die rote Linie Lübecker Thor – Au­gustenstraße (Bahnhof) – Wismarsche ­Straße – Arsenalstraße – Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Mecklenburgstraße) – Schloss­straße – Alter Garten (1,8 km). Beide Strecken waren eingleisig mit Ausweichen. Nach der Eröffnung einer Neubaustrecke durch die Friedrichstraße wurde das Pferdebahnnetz am 15. August 1882 umstrukturiert. Betriebsbeginn war um 7.24 Uhr. Danach wurde bis ca. 12 Uhr im 18-Minuten-Takt gefahren, anschließend fuhr bis zum Betriebsschluss gegen 21 Uhr alle 15 Minuten eine Pferdebahn.

Der Pferdebahnbetrieb war jedoch von Anfang an unrentabel. Schwerin parti­zi­pierte nicht an der einsetzenden Industrialisierung und das Bürgertum ging lieber zu Fuß als mit der Pferdebahn zu fahren. Nur die Sonderwagen für die abendlichen Theaterbesucher waren gut ausgelastet. Die MSEAG stellte deshalb im September 1884 den Betrieb ein. Nach einer Anordnung des Rostocker Oberlandesgerichts musste das Unternehmen am 10. Oktober 1885 die grüne Linie wieder eröffnen. Doch schon im Dezember des gleichen Jahres wurde die Linie und damit die Schweriner Pferde­bahn endgültig eingestellt. Der erste Anlauf zur Etablierung einer Straßenbahn war gescheitert. Vier Pferdebahnwagen wurden noch 1885 nach Rostock verkauft, zwei weitere 1886 nach Erfurt. Bis 1887 wurden alle Gleise demontiert.

Neustart 1908 – ­diesmal elektrisch

Es dauerte geschlagene 21 Jahre, bis es wieder öffentlichen Personennahverkehr in Schwerin gab. 1906 wurde zwischen dem Bahnhof und der Seevilla ein Busbetrieb mit maximal sechs Fahrten pro Tag eingerichtet. Im gleichen Jahr nahm die Reichspost eine Buslinie Posthof – Lankow – Friedrichsthal mit ebenfalls sehr dünnem Fahrplan (werktags vier, sonn- und feiertags fünf Fahrten) in Betrieb. Beide Linien waren nicht erfolgreich und wurden schon nach wenigen Monaten wieder eingestellt. Auch der am 21. Dezember 1906 eingerichteten Busverbindung Bahnhof – Schloss – Seevilla mit sechs werktäglichen und zwei sonn- und feiertäglichen Fahrtenpaaren war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Sie wurde Ende 1907 wieder aufgegeben.

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