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Die Verlässlichkeit des Systems Straßenbahn hätte sehr gelitten und von einem »Netz« hätte man nicht mehr sprechen können.

Der Ersatz mehrerer Straßenbahnstrecken durch eine U-Bahnlinie hätte auch für viele Fahrgäste zu vermehrten Umsteigezwängen auf zuvor durchgehend betriebenen Linien geführt. Das führt den Vorteil eines schnellen, unterirdischen Verkehrsmittels zum Teil ad absurdum. Für noch mehr Menschen wäre mit der geplanten »schienenfreien Innenstadt« das weiße »U« auf blauem Grund zum Symbol für »U«m­stei­gebahn geworden.

Gegen die »U«msteigebahn
Der Unmut der Bevölkerung gegen die aus den Zeiten der autogerechten Stadt stammenden Pläne der »schienenfreien Innenstadt« wurde vom Bündnis »Rettet die Straßenbahn« aufgegriffen. Die Aktiven dieses Bündnisses kamen aus vielen Bereichen der Gesellschaft: Gewerkschaften, Senioren­beiräten, SPD, Grünen, ADFC, Arbeiterwohlfahrt u.a. Die meiste Arbeit leisteten allerdings die vielen Freiwilligen und Bürgerinitiativen vor Ort, die »ihre« Tramlinie nicht verschwinden lassen wollten. Diese Initiative wollte die Altstadtstrecke (Linien 14, 15 und 18), die Strecke der Linie 12, im Westend die Strecke durch die Mendelssohnstraße (Linie 19) und die Strecke Theaterplatz-Goetheplatz-Opernplatz (Linie 21) erhalten. Sie plante, den Paragraph 8b der hessischen Gemeindeordnung, der Bürgerbegehren behandelt, zu nutzen, um die Stadtverordneten erneut über die »schienenfreie Innenstadt« abstimmen zu lassen. Dazu schreibt dieser Paragraph vor, dass eine bestimmte Thematik in der Stadtverordnetenversammlung behandelt werden muss, sofern zehn Prozent der Wahlberechtigten ein solches Begehren mit Ihrer Unterschrift unterstützen. In Frankfurt waren daher etwa 42.400 Unterschriften zu sammeln. Ende 1985 startete die Sammlung der Unterschriften.

Ratsmehrheit gegen ­Bürgerbegehren
Dass die Anzahl der gesammelten Unterschriften bis August 1986 auf über 60.000 anstieg, zeigt, welche Unzufriedenheit der Menschen mit den Plänen der Stadt und des FVV (Frankfurter Verkehrsverbund bis 1995; Vorgänger des RMV) bestand. Die Unterstützung der Aktion durch den bundesweit bekannten ehemaligen Direktor des Frankfurter Zoologischen Gartens, Prof. Bernhard Grzimek, trug auch einen kleinen Teil zum Erfolg bei, als er öffentlich die Stilllegungspläne als »bürgerfeindlich« bewertete.

Aufgrund des § 8b der Hessischen Gemeindeordnung musste sich die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung nochmals mit dem Thema der Stilllegung der innerstädtischen Straßenbahnstrecken befassen. Die mit absoluter Mehrheit regierende CDU war zu keinen Zugeständnissen bereit und lehnte in der Sitzung vom 28. August 1986 jede Änderung der Pläne ab. Nun gab es keine Hoffnung mehr. Zur Umsetzung der »schienenfreien Innenstadt« fehlte nur noch die Genehmigung zur Stilllegung der oberirdischen Straßenbahnstrecken durch den Regierungspräsidenten Hartmut Wierscher (SPD) in Darmstadt. Dieser dachte aber gar nicht daran, diese Genehmigung auszusprechen.

Entscheid aus Darmstadt
Er nahm die 60.000 Unterschriften ernst und schaute genauer auf die Planungen. Und am 12. September, zwei Wochen vor der geplanten Eröffnung der C-Strecke der U-Bahn, lehnte er die komplette Stilllegung der Straßenbahn in der Innenstadt ab und verlangte den Weiterbetrieb der Altstadtstrecke. In seinem Regierungsbescheid schrieb er, dass wichtige Bereiche der Innenstadt zukünftig »... nur unter Inkaufnahme einer längeren Fahrzeit und eines Umsteigens in die U-Bahn über Treppen und Rolltreppen ...« erreichbar seien. »Das dichtbesiedelte Gebiet im Osten der Innenstadt zwischen Hanauer Landstraße und Main würde in seinen wichtigen Verkehrsbeziehungen in nicht mehr zumutbarer Weise bedient.« Alles in allem war dieser Bescheid eine schallende Ohrfeige für den neuen Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) und seine Verkehrspolitik, die eine 25 Jahre alte Planung durchpeitschen wollte, ohne irgendwelche Änderungen und ohne auf massive Sorgen der Bürger zu reagieren.

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