Mirage und Muni-Tram

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Aus Anschaffungskosten, Platzangebot, Abschreibungssatz und Lebensdauer errechneten die VBZ eine einheitliche Kenngröße »jährlicher Kapitalaufwand pro 100 Platzkilometer«, die selbst beim Vergleich der teuersten Variante (gelieferte Mirage) mit der günstigsten (Düwag-Sechsachser) nur einen Unterschied von 25 Prozent ergab, obwohl die Anschaffungskosten um 80 Prozent auseinander lagen. Vorgeschlagen wurde daher, aus dem vorhandenen Modell einen motorisierten Beiwagen ohne Führerstand und ohne Möglichkeit der Nachrüstung mit einem solchen zu entwickeln, wie er in der Kenngrößenaufstellung die besten Werte erhalten hatte. Durch zwei vereinfachte Hilfsführerstände war ein eigenständiges Fahren, z.B. im Depot oder zum An- und Abkuppeln möglich. Zur Lieferung in den Jahren 1968-69 kamen nach Bewilligung der entsprechenden Kredite 36 Stück dieser vereinfachten Type, die in Zürich die Betriebsnummern 1691-1726 erhielten. Gegenüber den 90 vollwertigen Triebwagen ergaben sich kleine Änderungen in der technischen Ausstattung. So bekamen die Wagen Drehgestelle von Schindler an Stelle der torsionsstabgefederten, wartungsintensiven SIG-Bauart. Sie besaßen in den Anfangsjahren an der Front keinen Scheinwerfer, was ihnen den Beinamen »Blinde Kühe« einbrachte. Um sie bei Überführungsfahrten in die Werkstätte oder ein anderes Depot auch auf längeren Strecken einzeln einsetzen zu können, wurde später ein kleiner Scheinwerfer nachgerüstet und zusätzlich auch ein Scheibenwischer angebracht.

45 Jahre Planbetrieb

Die 126 Mirage-Triebwagen, meistens in Traktion eingesetzt, bildeten zumindest bis zur Lieferung der »Tram 2000« Sechsachser ab 1976 die Hauptstütze des Wageneinsatzes auf den Zürcher Straßenbahnlinien. Die letzten Exemplare schieden im Sommer 2010 nach fast 45 Jahren aus dem planmäßigem Dienst (s. SM 8/10). Viele von ihnen fanden in der Ukraine noch eine neue Heimat. Insofern muss das zu Beginn der sechziger Jahre entwickelte Konzept des dreiteiligen Sechsachsers als Erfolg gewertet werden, obwohl es in anderen Betrieben keine Nachahmer fand.

Die Basler »Nulllösung«

Wie bereits erwähnt, scheiterte das Vorhaben einer Gemeinschaftsbestellung dreiteiliger Sechsachser daran, dass die Basler Verkehrsbetriebe das notwendige Geld dazu nicht bewilligt bekamen. Im Frühjahr 1964 beantragten sie erneut einen größeren Kredit für die Anschaffung verschiedener Straßenbahnwagen und Autobusse. Neben 18 Triebwagen nach Vorbild der vorhandenen beiden dreiteiligen Sechsachser sollten auch zwei Gelenkwagen-Prototypen von Schindler beschafft werden. Eine mit der Prüfung des Ersuchens befasste Kommission kam zu der Einschätzung, dass es nicht unbedingt teurere Fahrzeuge aus Schweizer Produktion sein mussten, sondern wesentlich günstigere Konstruktionen aus Deutschland in der Qualität vergleichbar waren und daher deren Anschaffung erwogen werden sollte. So geschah in Basel in Sachen Neubeschaffung erst einmal nichts, sondern man begann Erkundigungen zur Brauchbarkeit der vorgeschlagenen Konstruktionen GT4 (Stuttgart) und GT6 (Düwag). Während der GT4 von vornherein ausschied, da er für einen Beiwagenbetrieb in Steigungsbereichen nicht über die erforderliche Antriebsleistung verfügte, ergaben Ende 1965 durchgeführte Probefahrten mit einem Mannheimer Düwag-Sechsachser, dass dieses Fahrzeug ein ausreichendes Adhäsionsverhalten besaß. Im November 1966 bewilligte der Grosse Rat der Stadt Basel einen Kredit in Höhe von 65 Millionen Franken zur Beschaffung neuen Rollmaterials für die BVB. Darin enthalten waren auch 20 Düwag-Sechsachser. Hierzu wurde kein Referendum beantragt, so dass die Fahrzeuge bestellt und 1967 geliefert werden konnten. Das Thema »Düwag in Basel« soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden, erwähnenswert ist aber die Tatsache, dass hier die Schweizer Industrie erstmals bei einer Neubeschaffung von Fahrzeugen leer ausging.

Technisch innovativ: der Berner Prototyp

Die Anfänge des ersten und für einige Jahre einzigen Gelenkwagens der Berner Straßenbahn reichen in die Zeit der Suche nach einem für Zürich geeigneten Serienwagen zurück. Mit der von der Zürcher Waggonfabrik Schlieren entwickelten Technik von Gestänge-gesteuerten Einachsdrehgestellen versuchte der Hersteller im Geschäft um neue Fahrzeuge mitzumischen, nachdem die Neuhausener SIG mit ihren dreiteiligen Sechsachsern für Basel und Zürich zunächst einen Marktvorteil erzielt hatte. Mit den Lenkgestellen wurde eine Fahrgestellbauart wieder belebt, die bereits in den Jahren 1928 und 1932 versuchsweise bei zwei deutschen Straßenbahnwagen angewendet worden war und an deren Entwicklung maßgeblich der Schweizer Ingenieur Roman Liechty beteiligt war.

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siehe Bildunterschrift
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