Mirage und Muni-Tram

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Ein Manko war auch die nur eingeschränkt mögliche Beiwagen-Mitnahme. Für ein Serienfahrzeug waren daher weitere Untersuchungen unumgänglich. Unausgesprochen haftete dem Dreiteiler zusätzlich noch der Makel an, nicht in Zürich gebaut worden zu sein, was die Ehre der Schlieren-Techniker empfindlich traf.

Gelenkwagen-»Attrappe« mit Einachsgestellen

Diese hatten erkannt, dass der Dreh- und Angelpunkt im wahrsten Sinne des Wortes in den Fahrwerken und dem Problem einer vernünftigen Ausnützung des Reibungsgewichtes zu suchen war. Ein Antrieb des mittleren Drehgestells wie in Zürich machte das Fahrzeug teuer, der Verzicht darauf wie in Basel und Einbauten zur Verlagerung der Belastung verteuerte dagegen den Unterhalt. In Schlieren wurde nun eine Fahrwerksbauform wieder zum Leben erweckt, mit der schon vor dem zweiten Weltkrieg in Deutschland etliche Unternehmen experimentiert hatten, ohne dass es hier einen Durchbruch gegeben hätte: Einachs-Drehgestelle. Den Anstoß, diese Technik aufzugreifen, lieferte der Wunsch der Verkehrsbetriebe in Bern, ebenfalls Gelenkwagen einzusetzen, den Typ aber so zu konstruieren, dass er die zu Tage getretenen Nachteile der bisher gebauten Probewagen für Basel und Zürich vermied. SWS und Zürcher Verkehrsbetrieb kamen überein, auch diese neue Technik in die Entscheidungsfindung für ein Serienfahrzeug mit einzubeziehen. Es wurden motorisierte Fahrwerke und der Rahmen des Fahrzeuges gebaut und mit einer provisorischen Fahrerkabine versehen um so Probefahrten im Zürcher Netz absolvieren zu können. Das »Objekt« besaß einen Stromabnehmer und war so in der Lage sich selbstständig fortzubewegen. Am 19. Februar 1964 erreichte das skurril aussehende Gebilde per Eisenbahn das Netz der Zürcher Straßenbahn und bis in den März hinein fanden nächtliche Probefahrten statt. Erkenntnis: Für flache Strecken durchaus geeignet, für Steigungen und Beiwagenbetrieb jedoch zu schwach. Die Technik der Lenkachsen arbeitete zufriedenstellend, so dass nach diesem grundsätzlichen Tauglichkeitsbeweis entschieden wurde, den Triebwagen zu bauen und den Verkehrsbetrieben in Bern zur Verfügung zu stellen.

Ein Gast aus Stuttgart

Im April 1964 weilte dann der Stuttgarter GT4 667 in Zürich. Hauptgrund seines Einsatzes waren Lärmmessungen, die als Basis für die Weiterentwicklung des Antriebes für die künftige Serienfertigung dienen sollten. Die Fahrten fanden zwischen dem 9. und 21. April auch tagsüber statt. Zumeist war des unmittelbaren Vergleichs ­wegen auch der SIG-Dreiteiler bei den Testfahrten mit von der Partie. Der GT4 überzeugte dank guter Motorisierung auch vom Fahrverhalten »am Berg«, entsprach aber mit seinen stark zugespitzten Wagenenden nicht den Zürcher Vorstellungen. Die Tatsache, dass die GT4 in Stuttgart in der Regel paarweise eingesetzt wurden, ­lieferte aber anscheinend die »Initialzündung« für Zürich, an Stelle eines Triebwagens mit Beiwagen auch den Einsatz von zwei Triebwagen im Zugverband ins Auge zu fassen. Die Verteilung der Antriebslast auf den gesamten Zug würde es ermöglichen, auf eine Motorisierung des mittleren Drehgestells zu verzichten. Eine Erhöhung der Motorleistung auf den vier Treibachsen war kein Problem. Dies war notwendig, um dem Triebwagen auch als Einzelfahrer eine ausreichende Beschleunigung auf Steigungsstrecken zu ermöglichen.

Das Mirage-Tram entsteht

Aufgrund dieser Erkenntnisse plante die SIG nun ihren Gelenkwagen neu. Da die Hüllkurve des Probewagens noch »Luft« für eine größere Fahrzeuglänge ließ, wurde diese auf 20,90 Meter festgelegt. Der Drehzapfenabstand vergrößerte sich auf 7,15 Meter. Die Türanordnung wurde gegenüber dem Prototyp geändert, im Mittelteil verblieb nur noch eine Türe, die aber verbreitert wurde. Die zweite Ausstiegstür rückte vor das Gelenk und wurde ebenfalls auf vier Türflügel erweitert. Die neue Anordnung ermöglichte zusammen mit der größeren Länge eine neue Innenraumgestaltung mit verbesserter Raumaufteilung, wovon sich der Betrieb einen beschleunigten Fahrgastwechsel erhoffte. Das motorisierte Mittelgestell wich einer antriebslosen Form mit nur noch 1,70 Meter Achsstand. Die Front- und Heckbreite wurde um 30 Zentimeter vergrößert, wodurch die Anordnung der Instrumente im Fahrerstand verbessert werden konnte. Die Antriebsleistung der verbliebenen vier Motoren wurde von 66 auf 75 kW erhöht, insgesamt sank die Leistung eines Triebwagens aber von rund 400 auf 300 kW. Für Alleinfahrten erschien das ausreichend, im Zugverband addierten sich die Werte beider Fahrzeuge. Für diese Betriebsform musste die Steuerung entsprechend erweitert und angepasst werden.

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siehe Bildunterschrift
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