Mainz: Mit Pferden, Dampf und Strom

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Der Mainzer Stadtrat folgte den Empfehlungen Leibbrands, gab für die Strecke zur Ingelheimer Aue jedoch weiterhin der Straßenbahn den Vorzug. Am 7. Juni 1960 wurden die Straßenbahnlinien 2 und 3 eingestellt. Am 28. Oktober 1963 folgte die Stilllegung der Strecken vom Schillerplatz über das Höfchen zum Brückenplatz, durch die enge Augustinerstraße nach Weisenau sowie die Zweigstrecke nach Mombach. Die Rumpflinie 7 durch die Neustädter Rheinallee wurde am 18. Dezember 1963 vom Brückenplatz zum Liebfrauenplatz verlängert. Dieser Maßnahme war jedoch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Schon 22 Monate später, am 31. Oktober 1965 wurde die Linie endgültig eingestellt.

Nur ein Rumpfnetz blieb – bis heute

Wie von Leibbrand empfohlen wurden die Durchmesserlinie 11 Finthen – Hechtsheim (einschließlich der HVZ-Linie 10) und die von der Linie 8 bedienten Zweigstrecken nach Bretzenheim und zur Ingelheimer Aue beibehalten und auf eigenen Gleiskörper verlegt. Dabei wurde auch die Bretzenheimer Strecke in der Unteren Zahlbacher Straße bis zur Haltestelle Zahlbach zweigleisig ausgebaut und die Trassierung im Bereich des Zollhafens verbessert. Nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen waren nur noch die Abschnitte Zahlbach – Bret­zen­heim, Hechtsheim/Jä­ger­haus – Am Schinnergraben und Ge­markungsgrenze – Finthen/ Poststraße eingleisig und lediglich in der Gaustraße und in der Breiten Straße in Gonsenheim musste sich die Straßenbahn die Verkehrsflächen mit dem Individualverkehr teilen.

Anfang der 1970er-Jahre begann man über einen Straßenbahnanschluss für den ein Jahrzehnt zuvor entstandenen Stadtteil Lerchenberg zu debattieren. Drei Varianten wurden diskutiert:
a)    ab Lindenmühle über die Pariser Straße, Bretzenheim-Süd und Marienborn;
b)    Verlängerung der Linie 8 durch den Bretzenheimer Ortskern (evtl. mit Tunnel);
c)    von der Hechtsheimer Strecke am Pariser Tor abzweigend über die Pariser Straße, Bretzenheim-Süd und Marienborn.

1974 wurde letzterer Variante der Vorzug für eine vertiefte Untersuchung gegeben. Finanzierungsprobleme und Zweifel an der Wirtschaftlichkeit einer Straßenbahnstrecke zum Lerchenberg führten zu einer Zurückstellung des Projekts. Anfang 1981 wurde eine neue Variante über die Saarstraße und Albert-Schweitzer-Straße ins Gespräch gebracht, mit der auch die Campus-Universität (rund 34.000 Studenten) ans Straßenbahnnetz hätte angeschlossen werden können. Doch auch diese Pläne wurden wieder verworfen.

Und auch wieder Neubaustrecken

Während also die Schaffung eines neuen fünften Streckenastes scheiterte, konnte das Mainzer Straßenbahnnetz an anderer Stelle erweitert werden: Am 1. Juli 1977 wurde das Neubaugebiet Römerquelle im Norden Finthens durch eine 1,08 Kilometer lange Neubaustrecke von der Haltestelle Ge­mar­kungsgrenze aus erschlossen. Die Bedie­nung der ersten Netzerweiterung seit 31 Jahren übernahm die Linie 10 – allerdings zunächst abends, samstags ab 15 h und sonntags ganztägig nur im Pendelbetrieb bis/ab Viermorgenweg.

Auch in den 1980er-Jahren wuchs das Mainzer Straßenbahnnetz um weitere 1,7 Ki­lometer. Am 9. August 1989 wurde die Linie 10 ins neue Wohn- und Gewerbegebiet im Westen von Hechtsheim verlängert. Hingegen scheiterte ein weiteres, verkehrlich viel wichtigeres Neubaustreckenprojekt: die sogenannte »City-Tram« Schillerplatz – Hauptbahnhof – Bismarckplatz – Hindenburgstraße – Flachsmarktstraße – Bauerngasse – Rheinstraße – Höfchen – Schillerplatz. Das ambitionierte Vorhaben konnte aufgrund fehlender politischer Mehrheiten und des Widerstands vieler Einzelhändler nicht realisiert werden. Weitere Probleme boten die engen Straßen, in denen die Anlage eines eigenen Gleiskörpers nur schwer durchsetzbar gewesen wäre, und die ungeklärte Finanzierungsfrage.

Große Pläne in den 90ern

Nichtsdestotrotz formierte sich zu Beginn der 1990er-Jahre eine schlagkräftige Allianz aus SPD und Grünen, die zielstrebig die Planungen für verschiedene Neubauprojekte vorantrieben. Folgende Neubaustrecken waren projektiert:
• Pariser Tor – Marienborn – Lerchenberg
• Arbeitsamt – Saarstraße – Layenhof
• Mühldreieck – Ebersheim
• Hauptbahnhof – Unikliniken – Weisenau
• Turmstraße – Mombach
• »City-Ring«: Schillerplatz – Ludwigstraße – Schusterstraße – Große Bleiche – Münsterplatz

Außerdem wurde eine normalspurige Regionalstadtbahnlinie nach Alzey geplant. Dazu sollte die Strecke nach Hechtsheim und Ebersheim dreischienig ausgebaut werden. Anschließend sollte die Stadtbahn auf einer Neubaustrecke nach Nieder-Olm und Alzey geführt werden und dabei teilweise stillgelegte Eisenbahngleise benut­zen.

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siehe Bildunterschrift
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