Mainz: Mit Pferden, Dampf und Strom

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Zwischen 1906 und 1908 eröffnete die städtische Straßenbahn fünf Neubaustrecken zum Industriegebiet Ingelheimer Aue, von der Mombacher Waggonfabrik zur Gonsenheimer Schule, im Kaiser-Wilhelm-Ring zwischen Hauptbahnhof und Boppstraße, zum Lennebergplatz (Maxborn) und von Kastel nach Kostheim.

Elektrisch auf den Vorortstrecken

Im November 1915 schlossen die Stadt und die SEG einen Vertrag über die Kommunalisierung und Elektrifizierung der Dampf­bahnstrecken. Am 28. September 1919 erfolgte dann die Übernahme der SEG-Vorortbahnen durch die städtische Straßenbahn. Zweieinhalb Jahre später, am 30. April 1922, wurde die erste Dampfbahnstrecke zwischen Gonsenheim und Finthen auf elektrischen Betrieb umgestellt und mit einer Neubaustrecke zum Bis­marck­platz an das Netz der städtischen Elektrischen angeschlossen. Der Streckenabschnitt Kirchhöfe – Gonsenheim wurde aufgegeben. Ab dem 4. Februar 1923 lösten auch auf der Bretzenheimer Strecke Elektrotriebwagen die Dampfzüge ab. Die Vorortlinie nach Hechtsheim erhielt im Zuge der Elektrifizierung eine neue Strecken­führung: Anstatt über die Kirchhöfe, Zahl­bach und Lindenmühle zu fahren, benutz­ten die Züge nun eine Neubaustrecke vom Schillerplatz über die Gaustraße und die Pariser Straße. Der Abschnitt Lindenmühle – Hechtsheim/Jäger­haus wurde stillgelegt. Damit war die Elektrifizierung des Mainzer Pferde- und Dampfbahnnetzes abgeschlossen.

Nach der Eröffnung zweier kurzer Neu­baustrecken zum Städtischen Krankenhaus am Augustusplatz und nach Kostheim/ Siedlung erreichte das Mainzer Straßen­bahnnetz im Jahr 1927 mit 39,6 km Strecken­länge die größte Ausdehnung seiner Geschichte.

Übernahme der ­rechts­rheinischen SEG-Strecken

1943 stellte die SEG in Wiesbaden den Straßenbahnbetrieb ein. Mainz übernahm daraufhin die rechtsrheinischen Strecken zur Wiesbadener Haupt­post und nach Schierstein. Nach schwe­ren Bombenangriffen musste ab 1944 schritt­weise der gesamte Mainzer Straßenbahnverkehr eingestellt werden. Am 27. Februar 1945 fuhr schließlich die letzte Elektrische.

Am 29. Juni 1945 wurde der Straßen­bahn­betrieb zwischen Bismarckplatz und Finthen wieder aufgenommen. Neun Mo­nate später stand das gesamte linksrheinische Streckennetz wieder in Betrieb. Am 16. Mai 1946 konnte eine 800 Meter lange, ­eingleisige Neubaustrecke zur neuen ­Universität an der Saarstraße in Betrieb ge­nom­men werden. Auch ein Kuriosum entstand, denn in den aufgrund der zer­stör­ten Rheinbrücke vom Hauptnetz abgetrennten rechtsrheinischen Stadtteilen verkehrte ab dem 30. November 1947 eine Pendellinie Kastel – Kostheim mit nur einem einzigen Zweiwagenzug. Nach dem Neu­bau der Rheinbrücke konnten am 16. April 1950 alle rechtsrheinischen Linien ihren Betrieb wieder aufnehmen. Nach der Gesamteinstellung der Wiesbadener Straßenbahn zum 1. Mai 1955 wurden auch die städteverbindenden Mainzer Linien 6 und 9 stillgelegt.

1958: Die Straßenbahn am Scheideweg

Am 1. September 1958 endete auch der Straßenbahnverkehr in die ehemaligen Mainzer Stadtteile Kastel und Kostheim, die 1945 von den Alliierten dem Land Hessen und dem Stadtkreis Wiesbaden zugeschlagen worden waren. Damit wurde das Mainzer Straßenbahnnetz neu geordnet.

Die Mainzer Straßenbahn stand am Scheideweg. Eine Grundsatzentscheidung pro oder contra Schienenverkehr musste getroffen werden. Hierzu wurden zwei Gutachten in Auftrag gegeben: 1958 empfahl der Hagener Betriebsdirektor a. D. Osterloh, »daß man aus wirtschaftlichen und verkehrsbetrieblichen Gründen die Verkehrs-Bedienung in absehbarer Zeit auf den Omnibus abstellen sollte«. Zwei Jahre später legte der Zürcher ETH-Professor Leibbrand seine Empfehlungen für die Zukunft des Mainzer Stadtverkehrs vor. Er riet zur Beibehaltung der gut ausgelasteten und günstig trassierten Strecken nach Finthen, Bretzenheim und Hechtsheim. Für die übrigen Innenstadtstrecken und die Außen­äste nach Weisenau, Mombach und zur Ingelheimer Aue empfahl er eine Umstel­lung auf Busbetrieb.

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siehe Bildunterschrift
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