Licht und Schatten der SEG-Zeit

Seiten


STREIT MIT DER STADTVERWALTUNG

Um die Jahrhundertwende herrschte zwischen der SEG und der Stadtverwaltung ein schlechtes Verhältnis. Zu den Gründen zählten eine für viele Fahrgäste unbefriedigende Fahrplangestaltung oder zu kurze Züge, aber auch ein in anderen Bereichen von den Interessen der Stadt Essen abweichendes Agieren der SEG bis hin zum Neid auf den Erlös, den die Kommune gern selbst eingenommen hätte.

Das führte dazu, dass die Stadtverwaltung einen von der Straßenbahngesellschaft geplanten zweigleisigen Ausbau der Hauptstrecken nicht genehmigte und die SEG zum Verkauf der Straßenbahn drängte. In diese Streitigkeiten griffen auch die großen Unternehmen Essens ein – allen voran August Thyssen und Hugo Stinnes, die 1898 mit der Unterstützung von Banken in Essen die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) gegründet hatten.

Stinnes bot sich der Stadtverwaltung mehrfach als neue Betreiber der Essener Straßenbahn an. Doch der maßgeblich hinter der SEG stehende Herrmann Bachstein hielt an der Straßenbahn in Essen fest, handelte es sich bei dieser doch um den gewinnbringendsten Unternehmenszweig. Die Mainzer Straßenbahn verkaufte die SEG hingegen 1904 an die Stadt Mainz.

Nach einem Vergleich mit der Stadt ließ Bachstein das Essener Straßenbahnnetz 1906/07 erweitern – zur Ausführung kamen aber nur kurze Teilstücke wie etwa vom Essener Hauptbahnhof bis zum Krankenhaus Mülheimer Straße. Ab 1907 galten neue Linienbezeichnungen, die sich aus den Zahlen 1 bis 10 sowie ihnen zugeordneten Farben zusammensetzten.

NACH BACHSTEINS TOD

Nach dem Tod des 1834 in Apolda geborenen Herrmann Bachstein (Senior) am 4. Februar 1908 in Berlin übernahm der Großindustrielle Hugo Stinnes die Aktienmehrheit der SEG mit dem Ziel, über die von ihm kontrollierte RWE die elektrischen Straßenbahnen des Ruhrgebiets und anderer Großstädte sowie damit verbunden die gesamte westdeutsche Stromversorgung in seine Hand zu bekommen.

Die 1909 gegründete Rheinisch-Westfälische Bahn-GmbH (RWB) fasste tatsächlich zahlreiche Straßenbahnbetriebe des Ruhrgebietes zusammen, die Stadt Essen war an der RWB mit 48 Prozent, der Kreis Essen mit 27 Prozent sowie die Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerke mit 25 Prozent zusammen.

Als Holdinggesellschaft übernahm die RWB die Aktienmehrheit der SEG – und Hugo Stinnes besetzte bis zu seinem Tod am 10. April 1924 den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden. Durch die Konzentration auf elektrische Straßenbahnen wurden in den folgenden Jahren mehrere Eisenbahnen aus der SEG ausgegliedert und in neu gegründete Gesellschaften überführt – siehe Tabelle.

DIE IDEE DER PRACHTLINIEN – DAS NETZ "EXPLODIERT"! 

Da die SEG die Essener Straßenbahn im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts allem Druck zum Trotz nicht an die Stadtverwaltung verkauft hatte, befasste sich diese mit einem neuen Plan, um mehr Einfluss auf Fahrplangestaltung und Trassierungen zu bekommen.

Sie begann 1911 damit, zehn eigene Straßenbahnlinien errichten zu lassen und anschließend der SEG zur Betriebsführung zu verpachten. Dadurch „explodierte“ das Essener Tram netz zwischen Dezember 1911 und 1932 förmlich.

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

Der Mensch als Fehlerquelle?

"Ich war doch nur ganz kurz abgelenkt“, zitieren zahlreiche Unfallprotokolle in ganz Deutschland die Fahrer von Stadt- und... weiter

Freiburg vor dem Generationswechsel - Gnadenfrist für die letzten sechs GT8K bis 2017

Die VAG in Freiburg bekommt gerade sechs Niederflurwagen von CAF geliefert – trotzdem mustert sie die letzten sechs hochflurigen GT8K nicht aus. Sie m&... weiter

Wirklich sicher?

Hat er seinen Tod fahrlässig in Kaufgenommen? Noch immer ermittelt die Dortmunder Staatsanwaltschaft, wieso am Pfingstwochenende ein 20-Jähriger zwischen zwei als...

weiter

Das könnte Sie auch interessieren