Hamburg: Stationen einer Stilllegung

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Die Hochbahn AG baute den Straßenbahnbetrieb wieder auf. Mit dem neuen rot-gelben Anstrich und behutsamer Anpassung der Altfahrzeuge erhielt der noch vorhandene Fuhrpark ein moderneres Erscheinungsbild.  Schon 1947 wurde ein Groß­raumprobezug geliefert. Mutig beschaffte die HHA dann zwischen 1951 und 1957 fast 200 Großraumzüge der Reihen V6(103 Tw, 100 Bw) und V7 (91 Tw, 90 Bw). Mit drei Streckenverlängerungen kam die Straßenbahn ihren Fahrgästen auch wieder näher, die nun in Bramfeld, Jenfeld und Lurup lebten. Die Straßenbahn ließ sich eben schnell und mit den vorhandenen Mitteln ausbauen. Tatsächlich plante man weitere Ausbauten mit über 90 Kilometer Länge! 

Demnach waren Straßenbahnen u.a. auch nach Osdorf, Lokstedt-West, Lan­genhorn, Hummelsbüttel, Wellingsbüttel oder Öjendorf geplant! Ernsthaft im Gespräch war vor allem die Linie nach Osdorf. Jedenfalls war sie bei der Neuordnung des Liniennetzes nach dem sog. Engelbrecht-Plan  berücksichtigt, mit dem das unübersichtliche Netz gestrafft wurde, das 1955 mit fast 230 Kilometer Länge seine größte Ausdehnung nach 1945 erreicht hatte. Eigentlich hätte die Hamburger Straßenbahn als einer der modernsten Straßenbahnbetrieben in Deutschland also optimistisch in die Zukunft blicken können. 

Größer, schöner, weiter

Doch je mehr sich das allgemeine Leben normalisierte, desto lauter wurden die Stimmen gegen die Straßenbahn. Folgende Aussage des Vorstandsvorsitzenden Dr. Friedrich Lademann mag das verdeut­lichen:  »Wenn immer wieder vergleichsweise darauf hingewiesen wird, dass man in Paris, zum großen Teil in London und in amerikanischen Millionenstädten mit dem Omnibus als Oberflächenverkehrsmittel auskommt, und die früher vorhandenen Straßenbahnen zum alten Eisen geworfen hat, so wird dabei übersehen, dass der Massenverkehr in diesen Städten in unterirdische Schnellbahnen verlagert worden ist. Nur dadurch ist es möglich, den verbleibenden Oberflächenverkehr mit Kraftomnibussen zu bedienen.« (Verkehr + Technik 9/51, S. 248)

Vernunftargumente versagen, wo die Gefühlslage in eine andere Richtung geht. Neuer, größer und schöner hatte Hamburg wiederaufgebaut werden sollen – so hatten es die Nazis in ihren Durchhalteparolen schon 1943 verkündet. Jetzt wollte die Bevölkerung eben dies endlich verwirklicht sehen. Nach dem Elend der Weltkriege und Wirtschaftskrisen wollten die Menschen endlich »leben«. Das Ende der Beschei­den­heit war gekommen. 

Im Dezember 1953 wurde überraschend der pragmatische Kurs von Bürgermeister Max Brauer abgewählt. Nachfolger Dr. Sieveking und sein Bürgerblock setzten auf »Klotzen statt Kleckern« und schoben – unter dem Beifall der Bürger – viele Großprojekte an, darunter auch den Ausbau zur »autogerechten Stadt«. Vieles schien beim Wiederaufbau mög­lich, musste man doch auf viele zerstörte Bauten keine Rücksicht mehr nehmen. Ebenso dachte auch Hochbahnchef Stein.  Energisch hatte er sich nach 1945 dafür eingesetzt, beim Wiederaufbau freigelegte Trassen für den Bau innerstädtischer U-Bahnlinien zu sichern. Nun galt die obige Argumentation in der Umkehrung: »die Straßenbahn wird entbehrlich, wenn U-Bahnen gebaut werden.«

Die HHA analysierte mit modernsten Methoden die Fahrgastströme und prä­sentierte hochwissenschaftlich ihren Plan für den umfangreichen Ausbau des U-Bahnnetzes um mindestens 100 Kilometer. Es lief auf die Kernaussage hinaus, dass der Staat den Tunnelbau bezahlen sollte und die Hochbahn dafür die ansonsten unersetzbare Straßenbahn abbauen würde. Durch enge Haltestellenabstände sollte die U-Bahn die Flächenerschließung im Gebiet der inneren Stadt komplett übernehmen. In den Außenbezirken sollten Omnibusse Zubringerfunktionen leisten.

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