Ein Tunnel für Karlsruhe

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Grundsätzlich: So wie bisher kann es sicher nicht mehr weitergehen in Karlsruhes zentralen Netzabschnitten. Man postiere sich einmal am Europaplatz und beobachte die Betriebsabläufe – da warten nicht nur während der Spitzenstunden sehr oft mehrere Züge aus Richtung Mühlburger Tor mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf eine freie Haltestellenposition, um zum Fahrgastwechsel vorrücken zu können. Gegenseitige Behinderungen der Bahnen beim Abbiegen bzw. Geradeausfahren von und zum Europaplatz am anderen Ende der Haltestelle sind ebenfalls konstante Ereignisse im Betriebsablauf.

Die »Gelbe Wand«

Nur wenige hundert Meter stadtauswärts stellt am Mühlburger Tor die niveaugleiche Kreuzung mit der Reinhold-Frank-Straße den nächsten Zwangspunkt dar, wo die Straßenbahnen durch den querenden Autoverkehr massiv behindert werden. In Richtung Marktplatz wiederum gleicht der Ausblick, den ein Fußgänger auf die gegenüberliegende Häuserfront hat, oftmals einer »gelben Wand« – es kann zeitweise länger dauern, auf die »andere Seite der Wand« zu gelangen als manche Hauptverkehrsstraße zu queren. Auch bekennende »Straßenbahnfans« sollten solche Extrembelastungen nüchtern betrachten – nach Fahrplan annähernd jede Minute in jeder Richtung eine Bahn im Mischverkehr (auch Fußgänger sind Verkehrsteilnehmer!), im Betrieb aber bedeutet das oftmals eine geschlossene Reihe hintereinander in beiden Richtungen – das mag allenfalls im »Laborversuch« noch gehen, unter Alltagsbedingungen ist das mit all seinen verzweigenden und kreuzenden, sich selbst behindernden Verkehrsabläufen aber unter »dringender Handlungsbedarf« einzustufen. Es muss also in jedem Fall etwas passieren. Aber musste es unbedingt ein Tunnel sein und, wenn ja, dann diese »Kombilösung«? Wie hätte eine rein oberirdische Lösung zur Erweiterung der Schienenverkehrskapazität ohne Verschlechterung der Erschließungsfunktion in Karlsruhe aussehen sollen? Auch die großzügigen Straßenprofile der badischen Residenzstadt sind nicht großzügig genug für viergleisige Anlagen. Und die Nutzung der vorhandenen »Fußgängerzonen-Bypass-Achse« vom Entenfang via Weinbrennerplatz und Ettlinger Tor zum Durlacher Tor für den Regelverkehr im großen Stil? Nicht umsonst ist diese Achse heute eher schwach genutzt und zwischen Ettlinger Tor und Durlacher Tor ganz ohne Linienverkehr: zu weit vom Bedarf weg, keine Alternative! Ihr westlicher Teil erschließt allerdings durchaus wieder dichter besiedelte Gebiete, und es ist nicht so recht verständlich, warum die neue Kriegsstraßenachse am Karlstor enden anstatt nach Westen weiterführen und diesen Abschnitt aufnehmen soll.

Ohne Alternative?

Also ist ein Tunnel unvermeidlich? Scheinbar – oder doch nicht: Der örtliche VCD-Kreisverband hat rein oberirdische Alternativen entwickelt, die für viel weniger Geld in wesentlich kürzerer Zeit sowohl die Fußgängerzone entlasten als auch die notwendige Kapazität sicherstellen sollen. Das will man beim VCD damit erreichen, dass zwar weiter alle Linien wie heute die Fußgängerzone bedienen, aber nicht mehr unbedingt auf ganzer Länge – Entzerrung der extremen Belastungen im Kernbereich durch bessere Verteilung, ermöglicht durch bessere infrastrukturelle Vernetzung. Trotzdem mag nicht so recht Euphorie aufkommen beim Verfasser, auch nicht nach dem Durchdenken aller vielleicht doch möglichen Alternativen. Steht doch bei allen Überlegungen unverdrängbar im Raum: Dieses System hat seine grandiosen verkehrlichen Erfolge auch und gerade der direkten, umsteigefreien, ausgezeichneten und unkomplizierten Erreichbarkeit der zentralen Geschäftsbereiche der Innenstadt zu verdanken – unbehindert vom Autoverkehr, pünktlich, ebenerdig und komfortabel. Und, wichtig zu wissen: Die knappe Mehrheit für die »Kombilösung« ist durch deutliche Mehrheiten »pro Kombilösung« in den überhaupt nicht betroffenen Karlsruher Außenbezirken zustandegekommen. Die Innenstadtbezirke, denen man doch das Argument »zu viele Straßenbahnen im Zentrum« als direkt Betroffene abgenommen hätte, haben gegen die Kombilösung votiert. Die »Doppelstock-Lösung« von 1996 hätte die Kapazitäten der Schiene in etwa verdoppelt und zwar dort, wo die Menschen ganz überwiegend ihre Ziele haben. Auch wäre sie für weniger Geld zu haben gewesen als die aktuell anstehende Kombilösung.

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Fotos: 
T. Naumann, M. Kochems
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