Die Revolution Flexity Classic – Niederflur auf Drehgestellen

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1997 erhielt Bombardier die ersten Aufträge für dieses neue Fahrzeugkonzept. Im Juni orderte die KVG Kassel zwölf rund 30 Meter lange und 2,4 Meter breite normalspurige Einrichtungsfahrzeuge, im Oktober bestellte die EVAG in Essen ebenfalls zwölf Wagen, die allerdings etwas kleiner waren, knapp 28 Meter lang und 2,3 Meter breit. Außerdem wurden diese Meterspurfahrzeuge als Zweirichtungswagen ausgeführt und an den Fahrzeugenden etwas stärker eingezogen. Anfang 1998 folgte der nächste Auftrag: MPK aus dem polnischen Krakau orderte normalspurige Einrichtungsfahrzeuge, allerdings nur 26 m lang, weshalb der Mittelwagen zu einem Gelenkwägelchen schrumpfte und das Fahrzeug nur sechs Achsen erhielt. Als vierter Kunde kam der NVS aus Schwerin hinzu, der den Kasseler Wagen orderte, allerdings mit 2,65 Meter Wagenbreite. Kassel und Essen bestellten bald nach. Was waren nun die Gründe für diese Lösung? Einerseits stellte der LF-2000 eine kostengünstigere Alternative zu den N/MGT6 von Siemens-DUEWAG dar, deren EEF-Gestelle auch nicht jeden potentiellen Kunden überzeugen konnten. Auch gegenüber den damals erhältlichen 100-%-Niederflurfahrzeugen versprach man sich – zurecht – bessere Laufeigenschaften und geringeren Verschleiß an Fahrwerken wie Gleisen. Beides erfüllte das neue System.

Darüber hinaus ergab sich ein weiterer, gewichtiger Vorteil: Das neue Konzept ließ sich wie Multigelenkfahrzeuge in Längen zwischen 20 und 45 Meter anbieten, mit sechs bis zwölf Achsen, davon vier, sechs oder acht angetrieben. Das bot letztlich die Möglichkeit, mit einem Systemfahrzeug viele individuelle Wünsche bedienen zu können. Die Variabilität erweiterte sich auf alle heute gängigen Spurweiten, die Wagenbreite variiert zwischen 2,3 und 2,65 Meter – Vorteile, die viele Kunden überzeugten, auch, dass die Fahrzeuge weitgehend freizügig kompatibel mit vorhandenen Gleisnetzen sind.

Die Flexity-Familie

Anfang des neuen Jahrtausends fasste Bombardier seine Stadt- und Straßenbahnfahrzeuge in der Flexity-Familie zusammen, die heute insgesamt vier Gruppen umfasst:
  •     Flexity Classic: 70-%-Niederflurfahrzeuge auf Drehgestellen, ex LF-2000
  •     Flexity Outlook: 100-%-Niederflur-Multigelenkfahrzeuge, ex Cityrunner
  •     Flexity Berlin: 100-%-Niederflurfahrzeug für Berlin, aus dem Incentro von Adtranz weiterentwickelt
  •     Flexity Swift: Sammelbegriff für Zweisystemstadtbahnfahrzeuge sowie Hoch- und Mittelflurwagen mit Kurzgelenkwägelchen (K4000, K5000 u.a.)
Jedes einzelne Familienmitglied stellt im Grunde ein eigenständiges Fahrzeugkonzept dar. Der Flexity Berlin ist dabei eine Sonderentwicklung, die derzeit nur für Berlin gefertigt wird. In der Swift Familie haben sich dagegen mehrere, sehr unterschiedliche Konzepte versammelt, vom reinen Hochflurfahrzeug wie dem K5000 bis zu den schweren, EBO-tauglichen Saarbahnfahrzeugen oder Stadtbahnwagen für Porto und andere europäische Betriebe.

Classic: Variantenreich und flexibel

Wirkt auch die Classic-Linie auf den ersten Blick außerordentlich bunt, so handelt es doch um ein weitgehend modular aufgebautes Fahrzeugkonzept, das dennoch eine große Vielfalt unterschiedlicher Fahrzeuge erlaubt. Die Palette der Flexity-Classic ist groß, sie reicht von
  •     sechsachsigen Kurzgelenkwagen für Dessau und Halle, über
  •     sechsachsigen Wagen mit langem Gelenkwagen für Krakau und Danzig und
  •     achtachsigen zwischen 2,3 und 2,65 Meter breiten und 28 bis 35 Meter langen Doppelgelenkwagen für Kassel, Schwerin, Essen Frankfurt/Main, Bremen u.a. hin
  •     zu den 45 m langen zwölfachsigen XXL Typen für Dresden und Leipzig
Gemeinsam ist allen Fahrzeugen der aus rostfreiem Stahl geschweißte Wagenkasten, das Untergestell besteht aus normalen Stahl. Die Sandwichdächer werden verklebt, die – nach Kundenwunsch gestaltbaren – Wagenköpfe bestehen aus Kunststoff. Alle Gelenke sind als freischwebende Sattelgelenke ausgeführt, d.h. die Endwagen stützen sich entweder direkt auf dem Mittelwagen ab – bei den kurzen MGT6 auf dem Vorderwagen – oder es sind schwebend eingebaute Doppelgelenkzwischenteile zwischen vierachsige Wagen eingehängt, prinzipiell wie vor über 40 Jahren bei Umbauten aus vierachsigen Großraumwagen ausgeführt.

Trotz diese Vielfalt hat der Flexity Classic eine hohe Standardisierung: Das betrifft nicht nur die Drehgestelle und Türen, das betrifft auch viele Elemente der Wagenkästen, selbstverständlich die Elektronik, obgleich der Kunde hier zwischen den Systemen verschiedener Hersteller wählen kann und – vor allem – die Fertigungsverfahren.

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siehe Bildunterschrift
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