Die »Tranvia de Sóller« auf Mallorca

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Zum Fuhrpark zählten weiterhin die zwei geschlossenen Beiwagen Nr. 5 und 6 (Baujahr 1913; Einsatz nur fallweise in den Wintermonaten) sowie eine 1957 aus Bilbao übernommene Zweiachs-Garnitur des Baujahres 1924, bestehend aus Triebwagen Nr. 4 und Beiwagen Nr. 7. Während der geschlossene Beiwagen schon jahrelang abgestellt war, kam der Triebwagen nur im äußersten Notfall zum Einsatz, da er mit zwei Sommerbeiwagen kaum die Steigung bei der Endstelle in Sóller bewältigte. Der strikte Halbstundentakt mit zwei einander in Streckenmitte kreuzenden Garnituren hatte zur Folge, dass oft Fahrgäste an den Endpunkten zurückblieben, die schließlich andere Verkehrsmittel (Taxi, Bus) benützten und für die Straßenbahn verloren gingen. Die großen Touristenströme wurden ohnedies mangels ausreichender Kapazität an der Straßenbahn vorbeigeschleust: Der sehr beliebte und von zahlreichen Reiseveranstaltern angebotene Tagesausflug von Palma zur Bucht von Sa Calobra beinhaltete zwar eine Fahrt mit der Eisenbahn Palma – Sóller (auch »Roter Blitz« genannt), zu den in der Relation Port de Sóller – Sa Calobra verkehrenden Ausflugsschiffen wurden die Urlauber aber mit Autobussen gebracht. Da der Bahnhof von Sóller inmitten der verwinkelten Altstadt angesiedelt ist, existierte für den »Roten Blitz« rund 500 Meter vor dem Endpunkt ein Bahnsteig, der nur von Reisegruppen der Sonderzüge zum Umsteigen in den Autobus genützt wurde.

Gebrauchtwagen aus ­Lissabon

Natürlich war die FS bestrebt, die zahlreichen Fahrgäste der Eisenbahn auch mit der zum Unternehmen gehörenden Straßenbahn weiterzubefördern. Allerdings musste bei der Aufstockung des Wagenbestandes auf den Erhalt des nostalgischen Charakters geachtet werden, weshalb man sich für Fahrzeuge aus Lissabon entschied. Für die Anschaffung derartiger Fahrzeuge sprach auch der geringe Unterschied in der Spurweite (Lissabon – 900 Millimeter, Sóller – 914 Millimeter) und der dadurch niedrige Aufwand an Anpassungsarbeiten. Von 1996 bis 1998 übernahm die FS sieben Zweiachser (710, 716, 718, 725, 727, 729, 734) und zwei Vierachser (334, 807) aus Lissabon. Da sich die Vierachser  für einen Betrieb auf der Inseltram als ungeeignet erwiesen, wurden sie 1999 an einen Sammler auf dem spanischen Festland abgegeben. Die Zweiachser 704 und 734 übernahm die FS nur als Ersatzteilspender; somit standen schließlich fünf Zweiachser für die Adaptierung an die örtlichen Verhältnisse zur Verfügung. Die Arbeiten, die teilweise von Dritten ausgeführt wurden, umfassten die Umspurung auf 914 Millimeter Spurweite, das Verschließen der Türen auf einer Wagenseite, den Einbau von Holzbänken in der Sitzanordnung 2+2 und die Umrüstung auf eine moderne Thyristorsteuerung, die über die herkömmliche Kurbel bedient wird. Es erfolgte also eine Modernisierung der elektrischen Komponenten unter Beibehaltung des nostalgisch wirkenden Wagenkastens samt Fahrgastraum. Ende 1998 standen die »neuen« Triebwagen 20–23 zur Verfügung und als »Nachzügler« konnte die FS im Jahr 2001 noch den Triebwagen 24 in Betrieb nehmen. Abweichend vom üblichen Farbschema erhielten die ehemaligen Lissa­bo­ner Triebwagen eine dunkelrot/weiße ­Lackierung und kamen in den ersten Betriebsjahren meist solo als Verstärkerkurse oder in verkehrsschwachen Zeiten zum Einsatz. Bei Ausfall eines Originaltriebwagens wurden sie zur Führung der Planzüge aber auch mit zwei Sommerbeiwagen behängt.

Neue Vierachs-Beiwagen

Mit den zusätzlichen Triebwagen allein ließ sich die Kapazität der Linie freilich nicht wesentlich erhöhen, weshalb das Konzept auch den Neubau von Beiwagen in der betriebseigenen Werkstätte umfasste. Ab 1999 baute das Unternehmen insgesamt acht vierachsige Beiwagen mit Holzaufbau und offenen Plattformen, die mit 48 Sitzplätzen dasselbe Fassungsvermögen wie die Wagen des »Roten Blitzes« haben. Sechs dieser ab 2001 in Betrieb genommenen Wagen (Betriebsnummern 1, 2, 4–7) besitzen einen geschlossenen Aufbau, die ­Wagen 3 und 12 sind dagegen als offene Sommerbeiwagen ausgeführt. Ab 2001 kamen daher in den Spitzenzeiten die ex-Lissaboner Triebwagen mit je einem vierachsigen Beiwagen zum Einsatz. Wegen der feststehenden Kreuzung in Streckenmitte war zwar keine Verdichtung der Intervalle möglich, bei einigen Kursen konnte man aber fortan bis zu drei dicht hintereinander fahrende Züge beobachten.

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