Der lange Weg zum ­»Mirage«

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in erster Linie einen zweiachsigen Drei­wagenzug zu ersetzen. In den Anfangsjahren seines Einsatzes zeigte er an der Front ein weißes, zur Stirnlampe heruntergezogenes Dreieck um auch den Fahrgast auf die Besonderheiten des Wagens aufmerksam zu machen. Das Platzangebot umfasste 42 Sitz- und 123 Stehplätze und entsprach damit in etwa dem zweiteiligen Sechsachser. Der Wagen besaß am Heck eine Kupplung und war ­prin­zipiell auch für den Beiwagenbetrieb geeignet, Probefahrten zeigten jedoch, dass die gewählte Motorisierung auf den Steigungsstrecken für eine ausreichende Beschleunigung nicht genügte. Der geringe Kurvenausschlag dagegen wirkte sich im Betrieb ausgesprochen positiv aus. Er lag noch unter dem der Großraumwagen und erlaubte auf  allen Strecken einen ­frei­zügigen Einsatz ohne den Erlass von Begegnungsverboten. Der Wagen mit der ­Gattungsbezeichnung Be 6/6 erhielt die Nummer 1801. Das Fahrzeug fand zunächst auf der steigungsreichen Linie 5 vom Bahnhof Ende zum Zoo seine Heimat, wo es als Alleinfahrer eingesetzt war. Nach Auslieferung der Mirage-Serienwagen wurde das Einzelstück zumeist als E-Wagen eingesetzt. Sein »Lätzchen« auf der Front verschwand, an Stelle der kleinen und schlecht lesbaren Liniennummer erhielt auch er einen großen, breiten Zielfilmkasten. Auch wurde er mit einem Einholmstromabnehmer ausgestattet. Für seine Verwendung als Einsatzreserve wurde ihm dann auch das ­Mit­führen eines Beiwagens zugestanden. Der Prototyp wurde im Jahre 1999 ausgemustert und verschrottet.

Die Baseler Prototypen

Für Basel wurde zunächst ein Fahrzeug komplett fertig gestellt und im Juni 1961 an den Betrieb abgeliefert. Erkenntnisse aus den Probefahrten sollten eventuelle Anpassungen in Details des zweiten Wagens ermöglichen. Eingehend hatten sich die Techniker in Basel mit dem Wunsch der Kollegen in Zürich nach einer Motorisierung aller drei Drehgestelle auseinander gesetzt, waren aber zu der Ansicht gelangt, dass dies nicht unbedingt notwendig war. Dies, obwohl in Basel die Forderung bestand, einen Beiwagen auch auf den Steigungsstrecken mitführen zu können und auch eine Zugkraftreserve als wünschenswert erachtet wurde. Gegen eine Motorisierung des Mittel­gestells wurden vor allem Kostenargumente geltend gemacht, ein Laufgestell war natürlich in Anschaffung und Unterhalt erheblich günstiger. Dem Argument aus Zürich, bei drei Triebgestellen eine gleichmäßigere Verteilung des Adhäsionsgewichtes auf die Antriebsleistung und damit ein besseres Fahrverhalten erreichen zu können, glaubten die Baseler eine von der SIG entwickelte und patentierte Vorrichtung entgegensetzen zu können, welche eine Verlagerung der Belastung des Mittelgestells zu Gunsten der beiden Triebgestelle bewirkte. Mit dieser Gewichtsverlagerung könne ein identisches Fahrverhalten zu einem günstigeren Preis erreicht werden. So erhielten die Baseler Wagen zwei Triebgestelle mit 66-kW-Motoren auf jeder Achse und ein antriebsloses Laufdrehgestell. Dessen Radabstand konnte auf 1,70 Meter verringert werden. Der Wagen besaß 40 in Reihe angeordnete Sitzplätze, zusätzlich hinter dem Führerstand zwei Klappsitze. Die Zahl der Stehplätze wurde mit 123 angegeben. Die Gattungsbezeichnung lautete Be 4/6. Die bei dem Probebetrieb des ersten Wagens gewonnenen Erkenntnisse führten für das zweite Fahrzeug noch zu zahlreichen Detailänderungen, welche eine Auslieferung bis Dezember 1962 verzögerte. Die Wagen erhielten die Nummern 601 und 602.

Fehlschlag am Rhein

Sonderlich glücklich wurde Basel mit seinen beiden Gelenkwagen nicht. Sie galten als technisch anspruchsvoll und wartungsintensiv. Auch zeigten sie eine hohe Entgleisungsfreudigkeit des Laufgestells. Für die Fahrzeuge waren von SIG Schwingarm-Drehgestelle mit Aussenlagerung und Torsionsstabfederung neu entwickelt worden. Als Ursache für die Entgleisungen wurden Brüche der Torsionsstangen durch starke Belastung in überhöhten Kurven mit Vignolschienen ermittelt, weshalb ein Einsatz auf Strecken mit eigenem Bahnkörper dann tunlichst vermieden wurde. Haupteinsatzgebiet der beiden Prototypen wurde die ­Linie 8 – hier verkehrten sie mit vierachsigem Beiwagen. Seltener waren sie einzeln auf der Linie 7 zu sehen. Zu den Besonderheiten zählte der Einsatz mit dreiachsigen Beiwagen. Tw 601 ereilte sein Schicksal nach einem Zu­sammenstoß mit einem anderen Straßen­bahnzug im April 1991. Hierbei ­ver­zo­gen sich alle drei Kastenteile, so dass ­an­gesichts der hohen Kosten einer Instand­setzung die Ausmusterung und Verschrottung beschlossen wurde. Der zweite Wagen fuhr bis Mitte 1995 im Liniendienst, anschließend wurde er nach Vorbild des Zürcher Zweiteilers zu einem Partywagen umgebaut.

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Fotos: 
siehe Bildunterschrift
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