Der lange Weg zum ­»Mirage«

Der ­Abschied der letzten ­Mirage-­Gelenkwagen aus dem Zürcher Straßenbahn-Plandienst überschattet etwas das Jubiläum, das die ­Gelenkwagen im Nachbarland begehen können. Text: Teil 1. Von Axel Reuther

 
Die Lieferung des ersten Gelenktriebwagens für die Zürcher Straßenbahn im Juli 1960 leitete die Abkehr vom bisher verwendeten Großraumwagen ein. Anders als bei der Beschaffung der Vierachser beschritten die einzelnen Betriebe aber nun unterschiedliche Wege. Am Anfang standen fünf Prototypen für Basel, Bern und Zürich. Nur Zürich beschaffte aber daraus abgeleitete Serienfahrzeuge, Basel entschied sich für angepasste Düwags. Bern zog erst in den siebziger Jahren nach, Genf und Neuchatel (Neuenburg) übernahmen dagegen zunächst Gebrauchtwagen aus Deutschland und Italien. In diesem Bericht soll die interessante und abwechslungsreiche Entwicklungsgeschichte der ersten Jahre nachgezeichnet werden.

Die Schweizer Trambetriebe 1960

Neben den Städten, in denen noch heute Straßenbahnen fahren, nämlich Basel, Bern, Genf, Neuchatel und Zürich gab es 1960 auch noch in einer ganzen Reihe anderer Städte Straßenbahnen. Hinzu kamen einige straßenbahnähnliche Überlandbahnen. In Locarno erfolgte die Umstellung auf Busbetrieb noch im gleichen Jahr, Fribourg, Lausanne, Luzern, Schaffhausen und Schwyz war die Ablösung durch Obusse oder Busse vorbereitet und wurde in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre vollzogen. Wie auch in Deutschland hatten die Schweizer Straßenbahnbetriebe, die interessanterweise ausschließlich in Meterspur angelegt sind, bis in die dreißiger Jahre am Zweiachser und dessen Einsatz zum Teil in Mehrwagenzügen festgehalten. Die Argumente für diese Wagenbauart unterschieden sich nicht von anderen Ländern, welche derartige Fahrzeuge favorisierten. Wohl auch begünstigt durch die Nähe zu Italien, setzte in der Schweiz ein Umdenkprozess Ende der dreißiger Jahre ein und nach zwei dreiachsigen Prototypen für Zürich 1939 gelangte bereits ein Jahr später der erste vierachsigen Großraumwagen für Zürich zur Ablieferung. Damit war der Weg frei zur »modernen« Straßenbahn und in der Folge beschafften etliche Betriebe diesen Wagentyp in z.T. größerer Stückzahl. Ende der 1950er Jahre gerieten auch die Schweizer Straßenbahnbetriebe angesichts steigender Lohnkosten unter Druck und sahen den Zwang zur weiteren Rationalisierung. Eine Senkung der Personalkosten war nur durch den Einsatz größerer Züge mit höherem Fassungsvermögen machbar, da sich so die Zahl der benötigten Fahrzeuge besonders im Spitzenverkehr senken ließ. Dies bedeutete dann in erster Linie die Möglichkeit des Verzichtes auf den Einsatz älterer, kleiner Einheiten mit entsprechend hohem Aufwand an Personal. Eine Besonderheit des Tagesablaufes bestand bei den Betrieben durch die geteilten Arbeitszeiten mit einer mehrstündigen Mittagspause. Es war dann binnen kurzer Zeit zwei Mal eine hohe Transportleistung zu erbringen um die Arbeitnehmer nach Hause und wieder zurück zu befördern. Die kurzzeitige Vorhaltung einer größeren Zahl von Einsatzwagen war dabei extrem unwirtschaftlich.

Wagen für die ­Unterpflastertram

Zudem beschäftigte sich die Stadt Zürich mit Planungen für eine unterirdische Streckenführung im Innenstadtbereich, was ebenfalls besondere Anforderungen an das einzusetzende Fahrzeugmaterial stellte. Im Hinblick darauf wies 1959 eine Serie vierachsiger Großraumwagen bereits entsprechende Konstruktionsmerkmale auf, z.B. durch Anordnung aller Türen in der Geraden, die später so genannten »Karpfen«. Bereits 1957 begannen in Zürich die Planungen für ein großes Beschaffungsprogramm neuer Fahrzeuge in den 1960er-Jahren. Die Verwendung von Gelenkwagen an Stelle von Großraumwagen sollte größere Kapazitäten ermöglichen. Um Erkenntnisse über die Eignung zu erhalten, sollten zunächst zwei Prototypen unterschiedlicher Bauart angeschafft und eingehend im praktischen Betrieb getestet werden. Zunächst bewilligte der Zürcher Stadtrat im Juli 1957 jedoch nur das Geld für ein Probefahrzeug und es bedurfte zähen Ringens seitens der Verkehrsbetriebe, um schließlich fast zwei Jahre später im Juni 1959 auch die Mittel für ein zweites Fahrzeug zu erhalten. Dies erklärt auch, warum die beiden Gelenkwagen mit zeitlichem Abstand gebaut und geliefert werden konnten. Bei den Vorplanungen für den Gelenkwagen, es sollte das erste derartige Fahrzeug für die Schweiz überhaupt werden, sahen sich die Konstrukteure mit einigen technischen Hürden konfrontiert, die in der Struktur des Gleisnetzes begründet waren. Dieses war geprägt von engen Gleisradien und geringen Mittenabständen aber auch von z.T. starken Steigungen.

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