Das »Stilllegungs­gespenst« geht um

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Der kleine Flughafen Essen/Mülheim, der in erster Linie Bedeutung für den Schlulflugbetrieb hat, wird aber wohl in den nächsten Jahren stillgelegt und seine Flächen einer neuen Nutzung zugeführt. Gegenüber der Strecke zum Uhlenhorst, die derzeit im 10-Minuten-Takt befahren wird, verkehrt zum Flughafen nur alle 20 Minuten eine Straßenbahn. Als Ersatzkonzept für die Strecke Hauptfriedhof – Flughafen würde sich eine Verlängerung der aus Essen kommenden Buslinie 145 vom Flughafen zum Hauptfriedhof anbieten. Hier stellt sich allerdings die Essener Verkehrs AG (EVAG) quer. Dass die ÖPNV-Planung der drei Städte Essen, Mülheim und Duisburg unter dem 2010 neu gegründeten gemeinsamen Verkehrsunternehmen Via einem städteübergreifendem Ansatz folgen soll, zeigt sich an diesem Beispiel noch nicht besonders gut.

Verwaltung setzt auf ­Bürgerbeteiligung
Bereits Anfang Februar hätte im entsprechenden Ausschuss über die Zukunft der beiden Streckenabschnitte entschieden werden können. Wohl auch aufgrund der massiven Proteste aus der Bevölkerung hat sich die Stadtverwaltung aber relativ kurzfristig für eine andere Strategie entschieden. Statt über einzelne Maßnahmen zu entscheiden – neben den Streckenstilllegungen stand eigentlich auch eine Vorverlegung des Nachtnetzes und eine Umstrukturierung des Busverkehrs auf der Agenda – soll nun die Zukunft des ÖPNV ganzheitlich in Politik und Bevölkerung diskutiert werden. Dass mit dieser Umorientierung die Stilllegungsgefahr gebannt ist, kann aber leider nicht gesagt werden. So ist in der entsprechenden Verwaltungsvorlage zu lesen: »Ebenfalls stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, nur über einzelne Streckenabschnitte oder aber das gesamte System zu diskutieren, wobei die Grundsatzdiskussion nur unter der Prämisse ­geführt werden kann, dass das ÖPNV-Angebot der Straßenbahn durch einen gleichwertigen Busverkehr ersetzt wird.«

Stilllegungen ganzer Linien als Alternative?
Ein elementarer Teil der durch die Stilllegungspläne ausgelösten öffentlichen Diskussion spräche nämlich sogar dafür, noch mehr Strecken stillzulegen, als bislang angedacht. So wurde nämlich vielfach der Komfortverlust durch den Umsteigezwang bei Streckenstilllegungen im Außenbereich kritisiert. Würde man dagegen Straßenbahnlinien komplett durch Buslinien ersetzen, könnte man auch weiterhin von den bisherigen Endstellen umsteigefrei ins Stadtzentrum gelangen. Eine solche Strategie wird insbesondere von der ohnehin nicht gerade als straßenbahnfreundlich geltenden FDP favorisiert. Doch auch über die FDP hinaus ist durchaus eine Bereitschaft für Streckenstilllegungen festzustellen. So gab beispielsweise SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zu Protokoll, man könne bei der Straßenbahn – abgesehen von den wichtigen Linien 102, U18 und 901 – durchaus über Umstellungen auf Bus sprechen. Für den Fortbestand vieler Straßenbahnstrecken spricht aber, dass bei Stilllegungen je nach Strecke in unterschiedlichem Umfang Fördergelder zurückgezahlt werden müssten.
Wie aus informierter Quelle zu erfahren war, seien insbesondere bei einer Stilllegung der nur 20-minütig verkehrenden und eher schwach ausgelasteten Linie 110 umfangreiche Fördermittel für die 2008 abgeschlossene Neutrassierung im Bereich der Haltestelle Stadtmitte zurückzuzahlen. Auf Entscheidungen, ob und welche Strecken nun eingestellt werden, wird man vermutlich noch bis Ende des Jahres warten müssen. Bis dahin wird dann wohl das »Stilllegungsgespenst« in Mülheim weiter für Ungewissheit sorgen. Philipp Krammer

Mehr Bilder und Infos finden Sie im Heft  STRASSENBAHN MAGAZIN 04/11

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